Zum 123. Mal feiern wir gemeinsam mit Millionen von Frauen und Männern in der ganzen Welt den 1. Mai - hier in Rheinfelden. Dass ich hier sprechen darf, ist mir eine besondere Freude und Ehre. Ich wohne in Augst und bin damit praktisch Eure direkte Nachbarin. Rheinfelden ist mir auch im Kampf gegen das AKW Kaiseraugst als Treffpunkt unvergesslich. Und dazu natürlich auch Peter Scholer, dem wir in diesem erfolgreichen Kampf unendlich viel zu verdanken haben.

Die Erfahrung aus Kaiseraugst war für mich prägend für meinen weiteren politischen Weg: Wenn wir zusammenstehen, gewinnen wir. Deshalb ist auch der 1. Mai so wichtig, als gemeinsamer Tag der Lohnabhängigen im Kampf für die Rechte am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft, um mehr Gerechtigkeit und für den sozialen Ausgleich. Hier und weltweit.

In der Schweiz sind in den letzten Jahren die tragenden Werte, die die Schweiz stark gemacht haben, der soziale Ausgleich unter dem Druck global agierender Manager und Konzerne, der Gier nach dem schnellen Geld und die Steuergerechtigkeit immer mehr unter Druck geraten.

Die Gier ist eine Gefahr für unser Land. Die Lohnschere hat sich seit den 1990 er Jahren stark geöffnet. Die hohen Saläre sind deutliche stärker gestiegen als die tiefen und mittleren Löhne. Noch stärker ist die Schere aufgegangen, wenn wir die verfügbaren Einkommen vergleichen. Das zeigt der  neueste Verteilungsbericht des Gewerkschaftsbundes. Die Steuer- und Abgabenpolitik hat die sehr hohen Einkommen am viel stärker entlastet. Die grossen Verlierer der letzten Jahre sind die Alleinstehenden mit tiefen Einkommen. Sie haben trotz Lohnerhöhungen weniger verfügbare Einkommen. Die Spitzenlöhne sind vor allem wegen der Boni-Exzesse stärker angestiegen. Die Zahl der Lohn-Millionäre hat sich in der Schweiz seit 1997 verfünffacht.

Sehr ungleich ist auch die Vermögensverteilung in der reichen Schweiz. Nur in  Singapur – aber nur dort – ist der Anteil des reichsten Prozents der Bevölkerung am Gesamtvermögen mit 68,1 Prozent noch höher als in der Schweiz mit 58,9 Prozent. Der Verteilungsbericht der Crédit Suisse zeigt auf: «1 Prozent der Schweizer besitzt mehr Vermögen als die restlichen 99 Prozent.»

Was heisst das real? Auch wer in der Schweiz eine Berufsausbildung gemacht hat, hat heute keine Garantie mehr auf einen Lohn, der zum Überleben reicht. Das war früher anders. 437 000 Berufstätige haben hochgerechnet auf ein Vollzeiterwerb einen Brutto-Lohn von weniger als 4000 Franken im Monat, davon 140 000 mit einer Berufslehre. Das sind 10 Prozent der Erwerbstätige, davon geschätzt ¾ Frauen. Und das in der reichen Schweiz.

Jammern reicht nicht, wir wollen Lösungen. Eine heisst: Mindestlohninitiative. Die Initiative verlangt, dass jeder Mann und jede Frau umgerechnet auf eine vollzeitliche Erwerbstätigkeit mindestens einen Bruttolohn von Fr. 4000 erhält. Die Initiative ist jetzt in der parlamentarischen Beratung. Es braucht den Druck von der Strasse, für einen Erfolg. Die Initiative hilft im Übrigen auch der Wirtschaft. Der private Konsum ist zentral für das Wachstum der Volkswirtschaft.

Ebenfalls endlich umgesetzt werden muss die Lohngleichheit von Frau und Mann. Es sind vor allem die Frauen, die von den tiefen Löhnen betroffen sind. Noch immer ist die Lohndiskriminierung eine Tatsache. Das ist besonders stossend, wenn man beachtet, dass die Frauen in der Schweiz immer besser ausgebildet sind.

Tausenden von Schweizerinnen und Schweizern wollen diese Ungerechtigkeit bremsen und die Abzockerei stoppen. Gegen die Millionen der Wirtschaft haben wir, die SP und viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gerade auch im Aargau (66.8 %) und in Rheinfelden (1943 Frauen und Männer) am 3. März 2013 gewonnen. Das ist ein klares Signal, dass es so nicht weitergehen kann.

Die Abzockerei wirklich stoppen können wir im September. Wir stimmen über die 1 : 12-Initiative der Juso ab. Sie verlangt, dass in einer Unternehmung zwischen dem tiefsten und dem höchsten Lohn nicht mehr als eine Spanne von 1: 12 besteht. Eine Illusion denken Sie, denkt Ihr. Nein typisch schweizerisch. Victorinox eine typische Schweizer und Schwyzer Unternehmung hat eine Lohnspanne von 1 : 6 und fährt bestens damit.

Die Lohnabhängigen haben zu Recht Angst vor dem Lohndumping durch Zuwanderung. Die bilateralen Verträge mit der EU haben der Schweiz zwar Wachstum gebraucht. Aber der Profit ist auch hier ungleich verteilt. Die Zuwanderung schafft Probleme für Leute mit tiefen und mittleren Einkommen. Es ist der Lohndruck, es ist die Wohnungsnot. Wir stellen rund 40 % Verstösse gegen die flankierenden Massnahmen zur Verhinderung von Lohndumping fest.  Es braucht soziale Antworten auf die Probleme der Menschen in der Schweiz. Da hilft keine Ventilklausel, wie sie der Bundesrat eben beschlossen hat. Das ist nur Placebo. Nötig sindflankierende Massnahmen wie vermehrte Kontrollen zur Bekämpfung von Lohndumping, mehr Rechte am Arbeitsplatz, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Entlastung bei den Krankenkassenprämien, die Familien über Gebühr belasten.

Zu einer sozialen Schweiz und zu einem Leben in Würde auch bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter gehören guteSozialversicherungen. Allen voran die AHV. Ich bin gleich alt wie die AHV und stolz auf diese soziale Einrichtung. Sie sichert die soziale Umverteilung im Alter und ist ein wichtiger Pfeiler gegen Armut im Alter. Sie ist die Sozialversicherung, die auch Betreuungsarbeit in der Familie absichert. Eine Verbesserung der AHV hilft den untersten und mittleren Einkommen. Eine massive soziale Verbesserung bringt die Initiative AHV plus. Die Initiative bringt einen Zuschlag von 10 % auf alle bestehenden AHV-Renten. Bis heute sind 40 000 Unterschriften gesammelt. Bitte unterschreiben Sie hier und heute.

Zu den guten Traditionen der Schweiz gehört auch ein guter Service Public: Gute Schulen, ein guter öffentlicher Verkehr, ein gutes Gesundheitswesen sind Teile davon. Es ist klar, alle sollen nach ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten zu ihrer Finanzierung beitragen. Das verlangt unsere Verfassung und deshalb ist der Kampf für eine soziale Schweiz auch ein Kampf gegen Steuerhinterzieher und für Steuergerechtigkeit.

Das Bankgeheimnis darf nicht zum Steuerhinterziehergeheimnis missbraucht werden. Deshalb kämpfe ich gegen das Steuerhinterziehergeheimnis, wie auch gegen Steuerprivilegien für Aktionäre und die Superreichen. Der Steuerbschiss von aBR Merz muss korrigiert werden. Genauso kämpf ich gegen Steuerprivilegien für reiche Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz mit der Pauschalbesteuerung.

Baselland und das Fricktal haben eine lange gemeinsame Geschichte. Gemeinsam kämpfen wir jetzt gegen das Atommülllager am Bözberg. Solange der Atomausstieg nicht konkret umgesetzt ist, solange werden wir gegen jedes Atommülllager kämpfen. Zudem müssen geologische Erkenntnisse und nicht der geringste politische Widerstand der Massstab für die Abklärungen sein. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist ökologisch, ökonomisch und sozial nötig und längst machbar. In Deutschland hat es mehr Solardächer als in der Schweiz, die Windenergie wird rasch ausgebaut. Es braucht nur endlich auch in der Schweiz den politischen Willen dazu.

Wir wollen eine soziale und auch international solidarische Schweiz. Wir wollen keine Singapur-Schweiz mit Privilegien für die Reichen und Ausgrenzung der Schwachen. Dafür müssen wir uns auch mit dem Kampf gegen die unsoziale Asylgesetzrevision am 9. Juni 2013 einsetzen.

Dafür müssen wir gemeinsam kämpfen. Schweizerinnen und Ausländer. Dazu braucht es starke Gewerkschaften und mehr Rechte für die Lohnabhängigen. Im Falle von Entlassungen braucht es die Pflicht zu Sozialplanverhandlungen. Wie wichtig Arbeitnehmerrechte überall auf der Welt sind, zeigt sich an den Brand-Katastrophen in Bangladesh. Die zügellose Ausbeutung von Menschen, vor allem Textilarbeiterinnen, hat zum Tod von Hunderten bis Tausenden von Arbeiterinnen geführt. Hier braucht es auch die Solidarität von uns Konsumentinnen und Konsumenten mit den Arbeiterinnen.

Gemeinsam sind wir stark!

01. Mai 2013