Letzte Woche in der Wandelhalle: «Was ist der Unterschied zwischen dem Papst und der FDP? Keiner: Beide haben in ihrem Laden ein ungelöstes Frauenproblem.» Zugespitzt hat sich das FDP-Frauenproblem beim Familienartikel. Die FDP-Frauen waren dafür, die Mutterpartei dagegen. Die NZZ dazu nüchtern: Die FDP-Frauen stiessen in der eigenen Partei «schon immer auf Opposition», sie seien beim Familienartikel einfach zu weit gegangen. Es seien «normale Korrekturmechanismen, die jetzt einsetzen».

Ich weiss nicht, was in dieser Partei normal ist. Ich weiss nur, dass mir Wirtschaftsfrauen gesagt haben, dass sie das alles andere als normal finden. Früher setzten sich prominente FDPler für die FDP-Frauen ein. Allen voran Nationalrat Ruedi Noser, damals FDP-Hoffnungsträger. Unvergessen seine Tränen, als Christiane Langenberger als Präsidentin abserviert wurde. Heute hat Noser andere Anliegen.

Der umtriebige Zürcher reicht immer wieder sympathische Vorstösse ein. Nun muss man aber auch wissen: Ruedi Noser sitzt in der Finanz- und Wirtschaftskommission von économiesuisse – dem Verband, der im Abstimmungskampf um die Abzocker-Initiative alles gemacht hat, nur keinen Stich. Eine gute Falle schon gar nicht.

Die Noser'sche Manöverkritik: Es habe keine konstruktive Diskussion zwischen Politik und Wirtschaft stattgefunden. Das von économiesuisse-Mann Noser zu hören, ist schon fast Satire. Die Lehre, die er zieht, klingt gar wie Sprache gewordene Halluzination: «Jetzt geht es wieder um Klassenkampf pur: Die Linke gegen die Bürgerlichen, die das Erfolgsmodell Schweiz aufgebaut haben.» Unterton: Wer gegen Abzocker gestimmt hat, ist nicht bürgerlich. Genau so stelle ich mir die ideale Publikumsbeschimpfung vor.

Der Ausrutscher zeigt, dass sich die FDP nicht nur mit Frauen, sondern überhaupt mit der Schweiz des 21. Jahrhunderts schwer tut. Die Bürgerlichen sind nämlich keineswegs die alleinigen Erbauer der heutigen Schweiz.

Richtig ist, dass die FDP historisch die Schweiz stark geprägt hat. Unser Erfolgsmodell war und ist aber der Ausgleich. Und zwar zur Verhinderung von allzu heftigem Überborden – in jegliche Richtung. Insofern reiht sich das Anti-Abzocker-Ergebnis nahtlos in unsere Geschichte ein: Der Ausgleich zum Sonderbundskrieg war das Zweikammersystem (Sperrminorität der katholischen Kantone). Der Ausgleich zum Geldmonopol des Bundes die Beteiligung der Kantone an der Nationalbank. Der erste Ausgleich zum Gefälle zwischen Fabrikbesitzer und Fabrikarbeiter das erste Fabrikgesetz. Der Ausgleich zum Arbeitsfrieden die Sozialpartnerschaft. Der Ausgleich zwischen den grössten Parteien die Kollegialbehörde Bundesrat als Mehrparteienregierung. Es waren neue Brücken, nicht alte Gräben. Und beileibe nicht immer waren die Brückenbauer bürgerlich.

Nehmen wir die Parole «Klassenkampf!» zum Nennwert, dann will Noser einen Klassenkampf von oben nach unten. Von Vasellas und Ospels zur alleinerziehenden Putzfrau, der Noser die Zündung einstellen will. Der Name der geplanten Truppe: «SuccèSuisse». Als ob Raffgier ein Schweizer Erfolg sei.

Ein solches Programm kann man derzeit in Zypern beobachten: Nicht die Aktionäre wurden zur Kasse gebeten für die Misswirtschaft ihrer Institute, auch nicht die Gläubiger. Zur Rettung der Banken und ihrer Aktionäre hat die durch und durch bürgerliche Regierung alle Bankkunden mit Geldkonti teilenteignen lassen. Ohne Freibetrag. So geht das, ein Klassenkampf von oben nach unten. Liberal ist anders.

 

Auf seiner Internetseite zitiert Noser die frühere «Zeit»-Mitherausgeberin Gräfin Dönhoff. Aber nicht mit diesem Satz: «Wir müssen es schaffen, die Gesellschaft wieder zu humanisieren und die Raffgier zu bezähmen.» Man sollte dieses Dönhoff-Zitat in Nosers Poesiealbum hämmern – aus Liebe zur Schweiz. 

26. Mär 2013