Rentenalter 67, keine höheren AHV-Renten zur Kompensation des tieferen Umwandlungssatzes in der zweiten Säule – was der Nationalrat diese Woche bei der Beratung der Altersvorsorge 2020 entschieden hat, ist eine schallende Ohrfeige für künftige Rentnerinnen und Rentner. Sollte sich dieser Konfrontationskurs durchsetzen, wird die Reform scheitern.

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen sich zurecht grosse Sorgen um ihre künftige Altersrente. Die Probleme der Pensionskassen werden wegen der Tiefstzinsen immer akuter, die Pensionskassenrenten sinken. Gleichzeitig steigen die Beiträge und das reglementarische Rentenalter. Bedeutend geringere Probleme hat die AHV, aber auch sie steht unter Druck. Die AHV-Renten hinken den Lebenshaltungskosten hinterher und decken einen immer kleineren Teil des letzten Lohnes ab. Und seit kurzem gibt die AHV mehr aus als sie einnimmt. Der Bundesrat wollte deswegen sogar die Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung (Mischindex) streichen.

All das trifft die Frauen besonders hart. Denn sie stehen bei der Altersvorsorge schlechter da als die Männer, weil sie in den Pensionskassen benachteiligt werden. Im Mittel bekommen sie aus der zweiten Säule nur rund einen Drittel einer Männerrente, weil sie meist Teilzeit arbeiten und deshalb nur einen kleinen Teil ihres Lohnes versichern können.

Sorgen bereitet die Pensionierung aber auch älteren Arbeitslosen. Denn wer vor der Pensionierung die Stelle verliert, und keine mehr findet, wird heute faktisch gezwungen, sein Pensionskassenguthaben als Kapital zu beziehen. Behörden können Betroffene zudem zwingen, vor dem Bezug von Sozialhilfe das Altersguthaben aufzubrauchen. Das ist unsinnig und produziert Altersarmut.

Es braucht mehr AHV
Doch anstatt diese Sorgen ernst zu nehmen und Lösungen vorzuschlagen, haben die Arbeitgeber und ihre Gehilfen von SVP, FDP und GLP im Nationalrat die Situation weiter verschlechtert. Das sinkende Rentenniveau soll einzig über einen massiven Ausbau der kränkelnden zweiten Säule ausgeglichen werden. Gerade die tieferen Einkommen müssten so massiv mehr Beiträge leisten. Das Rentenalter will der Nationalrat generell auf 67 Jahre erhöhen – ungeachtet der Schwierigkeiten älterer Arbeitnehmender auf dem Arbeitsmarkt. Und auch die Witwen- und Kinderrenten in der AHV will er streichen.

Für die Gewerkschaften ist klar: Um die Probleme zu lösen, braucht es höhere AHV-Renten. Trotz der Niederlage an der Urne hat unsere Volksinitiative AHVplus die Revision Altersvorsorge 2020 geprägt. Der Kompromiss des Ständerats sieht erstmals seit 40 Jahren wieder eine Erhöhung der AHV-Neurenten vor, nämlich um 840 Franken pro Jahr für Alleinstehende und um bis zu 2712 Franken jährlich für Ehepaare. Das bedeutet AHV-Rentenerhöhungen für die meisten im Bereich von 4 bis 6 Prozent.

Ebenfalls positiv ist die neue Möglichkeit, in der Pensionskasse versichert bleiben zu können, wenn man die Stelle verliert oder in die vorzeitige Pension geht. Wer im Alter arbeitslos wird, muss sein Altersguthaben nicht mehr aufbrauchen, und Teilpensionierungen werden nun auch für weniger gut Verdienende oder Vermögende möglich. Für ältere Arbeitnehmende gilt zudem eine Besitzstandswahrung.

Dicke Kröte Frauenrentenalter
Klar negativ hingegen ist die Erhöhung des AHV-Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre – sie hat der Ständerat trotz grossen gewerkschaftlichen Widerstands in seinen Kompromiss eingebaut. Demgegenüber stehen aber Rentenverbesserungen, die insbesondere den Teilzeit arbeitenden Frauen zu Gute kommen. Sie würden also nicht nur mehr AHV erhalten, sondern auch eine bessere Pensionskassenrente. In vielen Fällen macht das deutlich über 10 Prozent mehr Rente aus.

Schliesslich schlägt der Ständerat eine Zusatzfinanzierung der AHV mit einem zusätzlichen Mehrwertsteuerprozent vor. Das würde die AHV-Renten und den Teuerungsausgleich für mehr als 10 Jahre sichern. Rentenalter 67 wäre vom Tisch. Und weil die AHV-Renten nach oben beschränkt und relativ gleich verteilt sind, haben Mehrwertsteuererhöhungen in der AHV sogar eine einkommenspolitisch ausgleichende Wirkung.

Fazit:

  • Rentenalter 65 ist ein Rückschritt.
  • Der Ständeratskompromiss bricht das Tabu höherer AHV-Renten und erweitert den Spielraum für zukünftige fortschrittliche Lösungen.
  • Die unter Frauen weit verbreitete Teilzeitarbeit wird besser versichert, die zweite Säule trägt endlich den veränderten Erwerbsverläufen Rechnung.
  • Der Ständeratskompromiss sichert Rentenniveau und AHV-Finanzen und verhindert Rentenalter 67 bis mindestens 2030.
  • Mit der Mehrwertsteuererhöhung und weil der Anteil der AHV am gesamten Rentensystem zunimmt, wird die Altersvorsorge solidarischer finanziert.

Nur der Ständeratskompromiss hat das Potenzial, die Probleme der Altersvorsorge zu lösen. Ob allerdings die Vorteile dieser Reform ausreichen, damit die Gewerkschaften bereit sind, die dicke Kröte der Erhöhung des Frauenrentenalters zu schlucken, darüber werden die SGB-Delegierten am 24. März entscheiden.

01. Mär 2017