Schon allein die Begriffe, mit denen man dem Volk die Reform «Altersvorsorge 2020» schmackhaft machen will, sprechen Bände. Die «bittere Pille» oder die «Kröte, die zu schlucken ist», bekräfigen nur, was viele schon wissen: Es geht um die Annahme einer untragbaren Reform unter dem Deckmantel des «am wenigsten schlechten Kompromisses».
Dem Projekt werden die Frauen und die heutigen Rentnerinnen und Rentner geopfert.
Erklärtes Ziel der Reform ist es, die Renten nachhaltig zu sichern. In diesen harten Zeiten gibt es kein Zaubermittel, man muss sparen. Die Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre generiert eine Summe von 1,2 Milliarden Franken. Die Bürgerlichen haben seit Jahren alles unternommen, um diese Erhöhung durchzubringen. Nun haben sie ihr Ziel erreicht. Die Frauen werden geopfert, obwohl ihre Renten schon jetzt 37 Prozent tiefer sind als jene der Männer. Hauptgrund dafür ist: Die Frauen haben die schlechteren Löhne. Dabei leisten sie noch immer zwei Dritel der unbezahlten Arbeit (Küche, Haushalt, Kinderbetreuung). Ist es fair, den Frauen die Rechnung noch gesalzener zu machen, wenn das Parlament selber jeden konkreten Eingriff zugunsten der Lohngleichheit ablehnt? Zudem bedeutet eine Erhöhung des Rentenalters für Leute, deren man sich «entledigt», kaum sind sie 60, dass sie noch länger leiden müssen. Ihre Situation wird sicher nicht verbessert. Ist es nicht Zeit, die Problematik anders anzugehen?
Auch die heutigen Rentnerinnen und Rentner müssen bluten. Ihre Kaufkraft nimmt laufend ab, Krankenkassenprämien und Mieten steigen. 1,4 Millionen Menschen gehören in der Schweiz der Generation 65+ an. Diese Bevölkerungsgruppe ist anteilmässig am meisten von Armut betroffen. Die Pensionierung geht zu oft mit einem deutlichen Einkommensabbau einher, was direkt in die Armutsfalle führt.
Frauen, Männer, pensioniert oder erwerbstätig, wir alle werden von zwei besonders unsozialen Massnahmen betroffen sein: der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,6 Prozentpunkte und der (vom Volk 2010 übrigens deutlich abgelehnten) Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent. Schliesslich wird auch die an sich positive Erhöhung der AHV-Renten nicht ausreichen, um die Verluste der zukünftigen Pensionierten zu kompensieren.
Erschienen im links 169 (Ausgabe April 2017)