Die AHV-Ausgaben waren 2014 höher als die eingenommenen Beiträge. Sozialabbauer und Katastrophen-Szenaristen sehen darin ungerührt und einmal mehr den Anfang vom Ende. Dabei sollte die AHV nach ihrer Rechnung schon längst pleite sein.

Rote oder schwarze Zahlen?

Erstmals seit langem schrieb das sogenannte Umlageergebnis der AHV im letzten Jahr wieder rote Zahlen. Das heisst, die Einnahmen aus den Beiträgen waren tiefer als die Ausgaben. Allerdings war das Ergebnis aus dem angelegten Vermögen erneut hervorragend, und so konnte die AHV gesamthaft einen Gewinn von 1.7 Milliarden erzielen und das Kapital auf rund 45 Milliarden erhöhen.

Natürlich kommt das Umlageergebnis den Sozialabbauern entgegen. Zufälligerweise (?) wurde es ja auch am Tag publiziert, an dem die ständerätliche Sozialkommission das Paket Altersvorsorge 2020 diskutierte.

Der Arbeitgeberverband etwa nimmt den Steilpass gerne auf und fühlt sich in seiner Forderung nach Erhöhung des Rentenalters – jetzt rasch für die Frauen, später dann allgemein via Automatismus – bestätigt und fordert zudem eine schnelle Senkung des Umwandlungssatzes bei den Pensionskassen.

Der verflixte Altersquotient

Der sogenannte Altersquotient ist die Grundlage aller Schreckensszenarien. Man findet ihn auch in der bundesrätlichen Botschaft zur Altersvorsorge 2020. Er stellt das Verhältnis zwischen der Altersgruppe der über 65-jährigen („Rentner“) zu jener der 20-64-jährigen („Aktive“) dar. Im Jahre 1900 kam ein Rentner auf 10 Aktive, im Jahre 2000 waren es bereits 2.5 und im Jahre 2030 sollen es 4 Rentner auf 10 Aktive sein.

Nun bestreitet ja niemand ernsthaft, dass die Zahl der älteren Leute zunimmt. Aber mit dem Altersquotienten wird vorgespiegelt, dass die Erwerbstätigen („Aktive“) immer mehr (alte) Personen unterhalten müssten, welche keine wirtschaftlich zählbare Leistung erbringen, sondern gewissermassen nur auf der faulen Haut liegen. Und dass damit die AHV-Finanzen in eine Schieflage geraten, was auf die Dauer nicht gut gehen könne. 

Von Pleitegeier keine Spur

Der Altersquotient scheitert allerdings bereits an der  demografischen Frage: Die „Belastung“ der erwerbstätigen Bevölkerung hat sehr wenig mit dem Altersquotienten zu tun. Und bei den Auswirkungen auf die Finanzen ist es noch schlimmer. Obschon der Anteil der Bevölkerungsgruppe 65+ seit 20 Jahren um 45 Prozent gewachsen ist, hat das Kapital der AHV nicht etwa abgenommen, sondern ist von rund 18 Milliarden im Jahre 1990 auf jetzt rund 45 Milliarden gestiegen. Seit dem Jahr 2000 waren alle Rechnungsabschlüsse positiv. Von Pleitegeier keine Spur.

Der Altersquotient gaukelt somit einen Generationenkonflikt vor, der so nicht existiert. Seine Aussagekraft tendiert gegen Null und es erstaunt nicht, dass die Szenarien, die auf seiner Grundlage erstellt werden, jeweils in die Irre führen. Der Sozialhistoriker Matthieu Leimgruber weist darauf hin, dass die Szenarien des Bundes 1997 beispielsweise die Pleite für die AHV im Jahre 2010 prognostiziert haben. In der Realität konnte jedoch in diesem Jahr das Kapital dank des positiven Rechnungsabschlusses um rund 2 Milliarden auf 44 Milliarden erhöht werden. Matthieu Leimgruber meint denn auch in Le Temps: « Ce type d’argumentation démographique catastrophiste sert à cadrer la discussion et à présenter les coupes dans les prestations comme inéluctables. »

Altersarmut bekämpfen!

Dem ist nicht mehr viel beizufügen. Ausser, dass die Finanzierung der AHV wesentlich über die Löhne erfolgt. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Verteilung des erarbeiteten Mehrwertes sind somit die entscheidenden Faktoren, zu denen wir Sorge tragen müssen. Und die im Projekt Altersvorsorge 2020 vorgesehenen zusätzlichen Einnahmen über die Mehrwertsteuer sind sicher auch sinnvoll. Schliesslich gibt es noch ein paar wichtige Probleme zu lösen, wie zum Beispiel die verbreitete Altersarmut. Allerdings könnten wir uns sozialere Varianten der Finanzierung als die Mehrwertsteuer vorstellen, und die erpresserische Verknüpfung, z.B. mit dem Frauen-Rentenalter, lehnen wir klar ab.

 

02. Apr 2015