Walter (Pseudonym), 78 Jahre alt, lebt seit zwei Jahren in einer mittelgrossen Pflegein­stitution im Kanton Aargau. Er ist stark sturzgefährdet, deshalb kann er nicht mehr alleine wohnen. Die 24-Stunden-Betreuung mit einer pflegeri­schen Überwachung ist sehr wichtig.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten lebt Walter mehr oder weniger zufrieden. Die grösste Umstellung war für ihn der Wechsel aus den eigenen vier Wänden in das Zweibett­zimmer. Er konnte nur wenige persönliche Dinge mitbringen, musste sich von vielen lieb gewonnen Sachen trennen. Zum Glück hat er seine Familie: zwei Töchter, mitt­lerweile auch Enkelkinder. Die eine Tochter wohnt in einem Haus, so dass sie das eine oder andere bei sich unterbringen konnte. Walter tut es emotional gut zu wissen, dass nicht alle seine Sachen weggeworfen werden mussten. Er lebte seit wenigen Jahren alleine. 

Nur ein Zweierzimmer  
Mit seinem ersten Zimmer­nachbarn in der Institution verstand sich Walter sehr gut, doch lei­der verstarb dieser nach wenigen Mona­ten. Mit seinem neuen Mitbewohner laufen die Tage nicht so einfach: dieser schläft sehr unruhig und ist ein komplizierter und äus­serst anspruchsvoller Mensch. Aus finanzi­ellen Gründen kann Walter nicht in ein Einbett­zimmer wechseln. Der Alltag in der Pflegeinstitution bietet nicht so viel Ab­wechslung wie ein Leben in der eigenen Familie, jedoch organisiert die Heimleitung im­mer wieder neue Veranstaltungen und Aktivitäten. Da gibt es doch mal ein Konzert, einen Filmnachmittag, begleitete Ausflüge in die Stadt oder eine Feier.

Aus bescheidenen Verhältnissen
Walter war früher bei der BBC, danach ABB, als Mechaniker tätig. Es war eine harte Arbeit, aber erfüllend. Sein Lohn reichte für die Familie und ein wenig Luxus wie jähr­liche Ferien am Meer und auch einen Mittelklassewagen. Sonst lebte die Familie eher bescheiden. Somit ergab es sich, dass Walter etwas Erspartes hatte und zum Glück bot die ABB eine gute Pensionskasse an.

Die Pflegeinstitution ist aus Sicht der Bewohnenden teuer. Neben den Pflegekosten (mit verhältnismässig wenig Eigenanteil) kommen Betreuungs- und Hotelleriekosten auf Walter zu, welche er selber zu berap­pen hat. Diese Kosten übersteigen seine Einkommen aus Pensionskasse, AHV und EL und so ist das wenige Ersparte nach einigen Monaten bereits aufgebraucht. Diese Situation belastet Walter enorm, ist er doch sein Leben lang zuverlässig seinen Verpflichtungen nachgekommen und hatte nie Schulden. Und jetzt? 

Sozialhilfeempfänger  
Nun bleibt ihm der Kontakt mit den Sozialen Diensten der Gemeinde nicht erspart. Er musste seine Finanzen und Papiere offen legen und wird nun über die Gemeinde über das Sozialhilfekässeli unterstützt. Die beiden Töchter leisten freiwillig einen klei­nen finanziellen Zustupf. Walter fühlt sich erniedrigt und hilflos, weil er das weder seinen Töchtern noch der Gemeinde respektive den Steuerzahler/-innen zumuten wollte. Am liebsten würde er, aus der finanziellen Situation heraus, nicht mehr leben. Das Pflegepersonal hat hier einiges an Arbeit zu leisten, damit Walter nicht in schwere Depressionen fällt. 

Pflegekosten steigen  
Das Beispiel von Walter wirft die Frage auf, was uns die Zukunft in diesem Bereich denn bringen wird. Die Kosten in den Pflegeinstitutionen wer­den zunehmen. Es ist haltlos, dass einige Kantone in der Schweiz ihre Pflegegesetze so formuliert haben, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen in die Sozialhilfe abrutschen. 

Es muss möglich sein, und dies zeigen verschiedene Kantone, dass es andere Formen der Finanzie­rung gibt. Es ist aber auch sehr schwierig, alle Auflagen und Vorschriften für die In­stitutionen insbesondere bei der Infrastruktur nachzuvollziehen – denn gerade diese verteuern vor allem die Ho­tellerie­kos­ten.

Bei der Ausstattung ist weniger manchmal mehr – das hat man bereits in anderen Bereichen festge­stellt. Wobei ich klar festhalten möchte, dass auf keinen Fall bei der Pflege und Be­treuung, also beim Personalschlüssel, gespart werden darf. Ein menschenwürdiges Leben muss auch den älte­ren Perso­nen unter uns und den Pflegebedürftigen zugestanden werden. Allerdings gilt es auch festzuhalten, dass die Ansprüche an die Pflege, Ausstattung und das erweitere Angebot von Generation zu Generation steigt. Und auch dies verteuert die ganzen Kosten der Institutionen. 

Herausforderungen an Gemeinden  
Vielleicht braucht es noch mehr Spezialinstitutionen und den Ausbau der Spitex, da­mit die Leute möglichst lange zu Hause leben können. Hier sind auch die Gemeinden ge­fragt, damit es genügend altersgerechte Wohnformen und auch Varianten von betreutem Wohnen gibt. Des Weiteren muss auch der Ausbau der Freiwilligenarbeit ins Auge gefasst werden. Ein professioneller Freiwilligendienst kostet zwar auch Geld, auf lange Sicht kommt diese Variante jedoch günstiger. Man muss den Freiwilligendienst aber klar von der Pflege trennen und stattdessen in der Betreuung nach Möglichkeiten von Einsätzen suchen.

Mit den vorgängig beschriebenen Massnahmen muss es möglich sein, die Ge­samtkosten einer Pflegeinstitution zu senken, damit es auch für Menschen aus einfa­cheren finanziellen Verhältnissen nicht zu einer Sozialhilfeab­hängigkeit kommt. Ebenso gibt es Kantone mit guten Lösungen. Diese müssten als Vorbilder angegangen werden.

Die Würde des Menschen gilt es in den Mittelpunkt zu stellen, ob alt oder jung, ob arm oder reich. Das spielt keine Rolle.

11. Jul 2013