Das Referendum gegen Versicherungsspione ist kurz vor der Sommerpause zustande gekommen. Am 25. November werden wir darüber abstimmen, zeitgleich mit dem Urnengang zur SVP-Selbstbestimmungs-Initiative. Die zwei Abstimmungsvorlagen hängen inhaltlich eng zusammen.

Selten haben Vorlagen so viel miteinander zu tun wie diese beiden. Die Selbstbestimmungs-Initiative (treffender: die Selbstbeschneidungs-Initiative) will die Europäische Menschenrechtskonvention aufheben. Sie ist ein massiver Angriff auf die Grundrechte von uns allen, denn Klagen könnten nicht mehr vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebracht werden.

Hier kommen die Versicherungsspione ins Spiel. Es ist ebendieser Gerichtshof in Strassburg, der die Schweiz gerügt hat, dass für die Überwachung von Versicherten keine ausreichende Rechtsgrundlage vorhanden sei. Daraufhin peitschte die Versicherungslobby dank ihren Helfershelfern im Rat ein Gesetz durch, das es mit den Grundrechten nicht so genau nimmt – und das mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in Strassburg landen wird. Versicherungen sollen zukünftig private Detektive beauftragen dürfen, ohne richterliche Zustimmung Versicherte zu überwachen. Das mulmige Bauchgefühl einer Sachbearbeiterin genügt, damit Sherlock Holmes ins Wohnzimmer spähen darf. Es wird in Zukunft einfacher, Versicherte zu beschatten als potentielle Terroristinnen und Terroristen.

Doch es gibt noch einen anderen Zusammenhang. Schon jetzt heisst es, es gehe im Abstimmungskampf zur Selbstbeschneidungs-Initiative darum, mit geeinten Kräften eine SVP-Schweiz zu verhindern. Das ist richtig. Nur verstehe ich nicht, dass mit Vehemenz gegen die SVP-Initiative geweibelt und gleichzeitig hingenommen wird, dass sozial Benachteiligte ausspioniert werden dürfen. Die gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten ist aus demselben Holz geschnitzt wie die SVP-Initiative. Es sind genau solche masslosen Gesetze, mit denen die Schweiz zu einer SVP-Schweiz gezimmert wird, in der gegen unten getreten und gegen oben gekuscht wird. Die Vorlage der Sozialdetektive ist ein Paradebeispiel dafür, wie es die SVP geschafft hat, die gesellschaftliche Stimmung schleichend nach rechts zu verschieben. Wer Sozialleistungen bezieht, wird der Faulheit und des Missbrauchs bezichtigt und soll das Recht auf Privatsphäre eintauschen müssen gegen ein bisschen Almosen. Auf schamlose, skandalisierende Art wird ein Klima der Verunsicherung bei den Betroffenen und eine Stimmung der Verachtung ihnen gegenüber geschürt. Diese Grundrechtsverletzung konnte nur dank Unterstützung von FDP, CVP und GLP zustande kommen. Sie halfen mit, ebenjene SVP-Schweiz zu bauen, die sie im Abstimmungskampf zur Selbstbeschneidungs-Initiative zu verhindern versuchen.

Das ist scheinheilig. Denn Grundrechte sind nichts wert, wenn sie nicht für alle gelten. Ausnahmslos alle. Auch für die mit wenig Macht und Geld.

23. Jul 2018