Dass der Gewerbeverband in seiner Kampagne gegen das Raumplanungsgesetz sein Herz für die Mieterinnen und Mieter entdeckt, nehmen wir erfreut zu Kenntnis. Es demonstriert aber vor allem eines. Das Referendum hat wenig mit den Interessen des Gewerbes zu tun. Denn es gibt gewichtige wirtschaftliche Argumente für eine griffige Raumplanung.

Gewerbetreibende und Unternehmer leiden unter der Zersiedelung. Seit Jahrzehnten beklagen sie sich darüber, dass sie mehr Zeit im Stau als beim Kunden verbringen. Sie monieren, dass sich die Ortskerne entleeren, dass die Einkaufsdistanzen zunehmen, dass sie ineffiziente Infrastruktur mitfinanzieren müssen.... Das neue Raumplanungsgesetz packt diese Probleme an der Wurzel. Nun ergreift ausgerechnet der Gewerbeverband das Referendum und Economiesuisse klatscht ihm zu. Das ist schwer verständlich. Am 3. März geht es nämlich nicht um einen Kampf 'Landschaft gegen Wirtschaft'. Die Unternehmen hätten ihrerseits ein vitales Interesse an einer griffigen Raumplanung. Denn sie finanzieren die immensen Kosten der gedankenlosen Zersiedelung letztlich mit.

Überteuerte Infrastruktur
Allein der Unterhalt und die Erneuerung der bestehenden technischen Infrastrukturen (Verkehr, Ver- und Entsorgung, Schutzbauten) kostet die Schweiz heute jedes Jahr 20 Mia. Franken. Dieser Betrag entspricht den Baukosten der NEAT. Und er wächst rasch an. Eine Nationalfondsstudie schätzt, dass sich allein die Kosten für die zu erwarteten Erweiterungsinvestitionen für Nationalstrassen und Schiene bis 2030 auf 79-88 Mrd. Franken belaufen werden. Diese Summen sind so gross, dass es sich rasch auszahlt, wenn man ihre Ursachen mindert und so den Aufwand senkt. Daniel Müller-Jentsch von Avenir Suisse bringt dies so zum Ausdruck: "Würde man die Bauzonenreserven in den nächsten Jahrzehnten einfach dort «volllaufen» lassen, wo sie durch eine schlecht koordinierte Raumplanung zu liegen kamen, wäre dies sicherlich deutlich teurer als die Rückzonungen."

Bauzonen am falschen Ort
Die 2400 Schweizer Gemeinden haben in der Vergangenheit nach sehr unterschiedlichen Kriterien eingezont. Die volkswirtschaftlichen Kosten haben dabei aber kaum eine Rolle gespielt. Meist verfolgten sie ein enges Eigeninteresse. Viele Kantone haben dies gewähren lassen. Deshalb liegen Angebot und Nachfrage nach Bauland räumlich heute weit auseinander. Zahllose Baugebiete sind an Standorten, wo sie nicht gebraucht werden. Dort, wo die Nachfrage aber hoch ist, bleiben gut gelegene Bauzonen unbebaut. Die meist bäuerlichen Landbesitzer warten mit dem Verkauf des Baulandes zu. Sie beziehen lieber landwirtschaftliche Direktzahlungen und spekulieren auf höhere Bodenpreise. Diese sogenannte Baulandhortung ist eines der Grundübel der Zersiedelung und ein enormer Kostentreiber. Das revidierte Gesetz bekämpft sie. Damit werden Angebot und Nachfrage besser aufeinander abgestimmt. Das kommt der Wirtschaft ebenso entgegen wie den Mieterinnen und Mietern.   

Ungleich lange Spiesse
Der planerische Wildwuchs der Vergangenheit basiert auf unlauterem Wettbewerb.  Es gibt heute zahlreiche Gemeinden die über Bauzonenreserven für 40 und mehr Jahre verfügen. Diese Gemeinden versuchen sich mit Bauzonendumping Standortvorteile zu verschaffen. Das ist aber gesetzeswidrig. Denn das Gesetz lässt nur 15 jährige Reserven zu. Es kann nicht im Interesse der Wirtschaft sein, dass illegale Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten sparsam wirtschaftender Gemeinden toleriert werden.  Zumal die Kosten dafür der Allgemeinheit überwälzt werden. Das neue Raumplanungsgesetz schafft endlich gleich lange Spiesse und es setzt der Unsitte ein Ende, dass Ressourcenverschwendung belohnt wird.

Steiniger Weg der Raumplanung
Schon vor achtzig Jahren warnte Armin Meili, FDP-Nationalrat und Direktor der Landessausstellung, vor dem «Krebs der Verhüselung». 1967 scheiterten SP und Gewerkschaften mit einer Initiative «gegen die Bodenspekulation» und für eine «angemessene Landes-, Regional- und Ortsplanung». Es dauerte bis 1969, bis die Raumplanung endlich Eingang in die Bundesverfassung fand. Die dort geforderte "haushälterische Nutzung des Bodens" wird allerdings bis heute nicht umgesetzt. 10 Jahre lang gab es dazu gar kein Gesetz.  Die erste Fassung scheiterte 1976 an der Urne.

Als 1979 dann doch noch ein Gesetzesvorschlag mehrheitsfähig wurde, sagte der SVP-Nationalrat Ernst Ackeret: „Man mag es höchstens bedauern, dass der Bundesbeschluss zwanzig Jahre zu spät kommt, nach­dem schon unzählige Landschaften und Ortsbilder von einmaliger oder auch von schlichter Schönheit und Eigenart in den letzten Jahren dem Baufieber und einer planlosen wilden Bauerei zum Opfer gefallen oder stark beeinträchtigt worden sind.“ Dieses erste Raumplanungsgesetz konnte die hohen Erwartungen allerdings nicht erfüllen. Es war ein dünner Kompromiss, der sich bald als zu schwach erwies. Die Mehrheit der Kantone setzte es gar nicht um. Und der Bundesrat schaute zu.

Chance Packen
Die Folge davon ist verheerend. Der "Krebs der Verhüselung" breitet sich rasant aus. Allein seit der Einführung des Raumplanungsgesetzes hat die Siedlungsfläche um mehr als die Fläche des Bodensees zugenommen. In Zahlen: um 24 Prozent! Wir übergeben künftigen Generationen einen landschaftlichen Flickenteppich, der mit ineffizienter und teurer Infrastruktur aufrechterhalten muss, zum Nachteil des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Es wird Zeit für ernsthafte Lösungsansätze, auch von Seiten der Wirtschaftsverbände. Die Volkswirtschaftlichen Kosten der Fehlplanung dürfen nicht länger ausgeblendet werden. Ideologische Reflexe und kursichtige Gewinnoptimierung sind keine Basis für nachhaltige Politik. Das neue Raumplanungsgesetz ist ein griffiger Ansatz, der klare Rahmenbedingungen setzt. Die Wirtschaft hat gute Gründe diesen Ansatz zu unterstützen. Das hat Avenir Suisse im Einklang mit allen Raumplanungsexperten eindrücklich aufgezeigt.

12. Feb 2013