Vor rund 50 Jahren konnte eine Familie mit einem Durchschnittslohn noch ein Haus kaufen. Heute ist das nicht mehr möglich. Die Häuser sind gerade in den Städten so teuer, dass nur noch kaufen kann, wer geerbt hat. Die meisten Familien werden so in die Miete gezwungen und müssen den Immobilienbesitzern nicht nur die Bau- und Bodenkosten sondern auch noch jedes rund Jahr 5 Prozent Rendite auf deren Vermögen bezahlen. Die Mieten werden so seit Jahrzehnten in die Höhe getrieben. Allein seit dem Jahr 2000 sind die Angebotsmieten um unglaubliche 50 Prozent gestiegen. Und dies trotz sinkender Hypothekarzinsen.
60 Prozent der Bevölkerung der Schweiz leben in Miete. Der Grossteil des Mittelstandes ist also betroffen. Dabei dürfte das gar nicht sein. Korrekte Mieten müssten rund 40 Prozent tiefer sein, als sie es heute sind. Unser Gesetz verlangt, dass sie nur die Kosten decken dürfen. Tatsächlich liegen die Mietpreise aber gegen 18 Milliarden darüber, weil das Gesetz nicht umgesetzt wird. Das heisst, dass jeder Haushalt, jede Familie etwa 6000 Franken – also einen ganzen Monatslohn – zu viel für Mieten bezahlt.
Für viele KMU sieht es ähnlich aus. Auch sie leiden unter den steigenden Immobilien- und Bodenpreisen. Damit schrumpft nicht nur das verfügbare Einkommen des Mittelstandes, damit wachsen auch die Sozialausgaben. Wenn die Leute die Wohnung nicht mehr selber finanzieren können, muss der Staat sie mit Ergänzungsleistungen unterstützen. Und was haben die Leute davon, denen der Staat die höheren Mietkosten bezuschussen muss? Gar nichts, denn das Geld fliesst direkt in den Rachen der Immobilienbesitzer. Und so finanziert der Staat Investoren und Spekulanten. Das ist doch absurd.
Ursache der Mietkostenexplosion angehen
Es ist eine Schande, dass die Botschaft des Bundesrates keinerlei Ausführungen zu diesen Zusammenhängen macht. Vielmehr wird behauptet, es sei mehr oder weniger alles in Ordnung. Nein, es ist nicht in Ordnung, dass die Leute ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. Hier läuft eine Entwicklung völlig aus dem Ruder. Und es ist allerhöchste Zeit etwas gegen diesen volkswirtschaftlichen Wahnsinn zu tun.
Deshalb braucht es mehr Genossenschaftswohnungen. Sie packen das Problem der Mietkostenexplosion an der Wurzel. Sie verrechnen tatsächlich nur die Kosten und sind deshalb bis zu 25 Prozent günstiger.
Die Initiative will, dass Bund und Kantone den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen von heute rund 5 auf 10 Prozent der Neubauten anhebt und will den Kantonen und Gemeinden zu diesem Zweck ein Vorkaufsrecht einräumen. Das sind völlig bescheidene Ziele. Sie tun niemandem weh.
Diese Initiative ist eigentlich eine Durchsetzungsinitiative. Denn unsere Verfassung fordert schon seit den 1970er Jahren in Artikel 108 Absatz 2 ganz explizit, dass der Bund «die Verbilligung des Wohnungsbaus sowie die Verbilligung der Wohnkosten» fördert. Die Mietpreise gehen den Staat aufgrund des klaren Verfassungsauftrags also sehr wohl etwas an.
Unverzichtbarer «Fonds de Roulement»
Absolut unverständlich ist zudem der Entscheid der bürgerlichen Nationalratsmehrheit, den für den gemeinnützigen Wohnungsbau zentralen «Fonds de Roulement» bloss minimal aufstocken zu wollen. Diese vom Bundesrat vorgeschlagene absolute Minimalvariante von 250 Millionen Franken über zehn Jahre ist ein Schlag ins Gesicht von Wohnungssuchenden mit geringer Kaufkraft.
Würde man – wie die Mehrheit von SVP und FDP in der vorberatenden nationalrätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) – den «Fonds de Roulement» gar nicht aufstocken wollen, wäre dies nichts anderes als ein klarer und vorsätzlicher Verfassungsbruch:
"Der Bund fördert [...] die Tätigkeit von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus." (Artikel 108 Absatz 1 der Bundesverfassung)
Der bisherige Rahmenkredit für den «Fonds de Roulement» wurde Ende 2017 ausgeschöpft. Ohne diese Aufstockung verliert der Bund seine Mittel und kann seinen Verfassungsauftrag gar nicht mehr wahrnehmen. Das ist dreist.
Die Aufstockung des «Fonds de Roulement» ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Dem Bund entstehen dabei nicht einmal Kosten. Die Mittel gehören ihm weiterhin. Und da die Darlehenszinsen in die Bundeskasse fliessen, erzielt er sogar einen Gewinn.