Die Auseinandersetzung innerhalb der SP über die Steuer-AHV-Vorlage war heftig, am Ende beschlossen die Delegierten der SP am 29. September in Olten die Ja-Parole. Für die Minderheit wurde die Chance verpasst, aus dem Steuerdumping auszusteigen. Für die Mehrheit ist das «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF)» der Anfang vom Ende der Steuerprivilegien.

Immer aber waren wir uns in der Analyse einig: Was wir in den letzten Jahrzehnten weltweit erlebt haben, war ein beispielsloser Siegeszug des Kapitals. Wenige hundert Konzerne legen fest, wie viele Steuern sie zahlen, welche Mindestlöhne und Umweltstandards sie akzeptieren wollen. Ihre Drohung, jederzeit wegziehen zu können, hat Gewicht.

Unsere Demokratien sind heute im Würgegriff dieser Drohkulisse. Die Wahl bleibt scheinbar nur zwischen Jobverlust bei Wegzug oder höheren Einkommensteuern für die Menschen. Und in Sambia wird die Bevölkerung gezwungen, entweder verschmutzte Flüsse und 18-Stunden-Arbeitstage hinzunehmen oder zu hungern.

Längerfristig braucht es Antworten auf internationaler Ebene. Mit BEPS (base erosion and profit shifting) und dem Country-by-Country-Report kam in den vergangenen Monaten ein wenig Bewegung in die Sache in den OECD-Ländern. Firmen sollen in Zukunft verpflichtet sein, offenzulegen, wo ihre Gewinne anfallen. Das Ziel müsste sein, dass Steuern vermehrt dort gezahlt werden, wo der tatsächliche Mehrwert erwirtschaftet wird. Die Schweiz, die im Steuerwettrüsten einen Spitzenplatz einnimmt, muss endlich ihren Beitrag dafür leisten.

«Eine Eindämmung des interkantonalen Steuerwettbewerbs wäre ein erster Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit.» 

Die STAF bringt eine Harmonisierung der Steuer-Privilegien auf OECD-Ebene. Das ändert allerdings nichts an der Ausbeutung des globalen Südens durch das Steuerdumping in den Ländern des Nordens. Eine Eindämmung des interkantonalen Steuerwettbewerbs wäre ein erster Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit. 

Deshalb braucht es jetzt eine doppelte Strategie nach vorne. Erstens müssen wir Übertreibungen in den kantonalen Steuerreformen in den kommenden Monaten bekämpfen und für Gegenfinanzierungen sorgen. Wir werden wie bei der Unternehmenssteuerreform III nicht akzeptieren, dass die Bevölkerung die leistungsfreien Gewinne der Konzerne finanzieren muss.

Zweitens, so schlagen wir vor, muss die Linke mit einer Volksinitiative wieder in die steuerpolitische Offensive gehen. Eine Initiative, die die Unternehmenssteuern schweizweit harmonisiert, den Finanzausgleich so reformiert, dass der interkantonale Wettbewerb eingedämmt wird, und einen klaren Auftrag an die Politik formuliert, auch international für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.  

Steuerpolitik entscheidet über die Verteilung von Reichtum und Macht in unserer Gesellschaft. Eine Linke ohne eigene steuerpolitische Vorstellungen ist eine Linke ohne Anspruch, die Welt gerechter zu machen. Steuerpolitik gehört ins Zentrum sozialdemokratischer Politik.

08. Okt 2018