Am 1. Januar 2018 tritt das neue Einbürgerungsgesetz in Kraft. Für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ohne Schweizer Pass bedeutet dies, dass sie für ihre Einbürgerung strengere Anforderungen erfüllen müssen. Alle Einbürgerungsgesuche, die bis zu diesem Datum bei der zuständigen Gemeinde eintreffen, werden jedoch noch nach dem aktuellen Gesetz behandelt. Deshalb möchte ich euch ermutigen: Lasst euch einbürgern!

Die Schweiz verfügt über eine restriktive Einbürgerungspraxis, komplex und selektiv. Hinzu kommen die zahlreichen langwierigen und von Gemeinde zu Gemeinde variierenden Verfahren. Um willkürliche Entscheide zu vermeiden, versuchen die Behörden, die Kriterien für die Gewährung einer Einbürgerung auf den drei politischen Ebenen (Bund, Kantone und Gemeinden) zu harmonisieren.

Im letzten Juni hat der Bundesrat in einer Verordnung die Inkraftsetzung des am 20. Juni 2014 von beiden Kammern angenommenen neuen Einbürgerungsgesetzes per 1. Januar 2018 bekanntgegeben. Anbetracht dessen ermutigt der Regierungsrat des Kantons Waadt Migrantinnen und Migranten dazu, sich jetzt einbürgern zu lassen. Denn alle vor dem 1. Januar 2018 eingereichten Gesuche werden noch nach altem, aktuell geltenden Recht behandelt. Die kantonale Regierung ruft die Gemeinden ebenfalls dazu auf, die Einbürgerungskandidatinnen und -kandidaten zu begleiten. Es ist zu hoffen, dass andere Kantone dem Beispiel des Kantons Waadt folgen werden.

Verschärfung des Gesetzes

Die Bundesbehörden verfolgen bereits jetzt eine restriktive Einbürgerungspolitik, was sich an der Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen ablesen lässt: Rund 23% aller Menschen, die sich hier niedergelassen haben und somit schon seit vielen Jahren hier leben, verfügen über keinen Schweizer Pass und dürfen somit nicht an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen, im Kanton Waadt sind es sogar gut 33%.

Trotzdem bedeutet das neue Gesetz einen Paradigmenwechsel und eine weitere Restriktion für den Erwerb der Schweizer Nationalität. Ab 2018 wird die für eine Einbürgerung erforderte Mindestaufenthaltszeit in der Schweiz zwar von 12 auf 10 Jahren heruntergesetzt, die Kandidatinnen und Kandidaten müssen für den Erhalt des Schweizer Passes aber zwingend im Besitz einer Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) sein und sie müssen Sprachkenntnisse der Landessprache des Heimatkantons ausweisen – nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich. Die Vollzugsverordnung des Bundesrats verschärft auch die Anforderungen im Hinblick auf die Abhängigkeit von Sozialhilfe.

Das neue Gesetz und die Verordnung beinhalten auch zahlreiche Anforderungen im Zusammenhang mit kultureller Anpassung. Die Bewerberinnen und Bewerber müssen beweisen, dass sie sich an die «Lebensumstände» und an das «soziale und kulturelle Leben in der Schweiz» – anders gesagt, an die «guten Sitten» – angepasst haben.

Der rote Pass mit dem weissen Kreuz bringt aus rechtlicher Sicht zahlreiche Sicherheiten mit sich.

Dabei handelt es sich um subjektive und problematische Kriterien, die im Konflikt mit den liberalen Rechten unserer Verfassung stehen, welche den Bürgerinnen und Bürgern verschiedene fundamentale Freiheiten garantiert. Darum dürfte der gute Wille des Waadtländer Regierungsrates nicht ausreichen, um jene gut 33% der Kantonsbevölkerung, die keinen Pass haben, zu gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern zu machen. Vielmehr ist mit Blick auf den Ressourcenmangel, auf den politischen Willen und auf das Informationsproblem auf kommunaler Ebene äusserst fraglich, ob die neuen Bestimmungen korrekt umgesetzt werden können.

Der Rote Pass mit dem weissen Kreuz bringt aus rechtlicher Sicht zahlreiche Sicherheiten: er ermöglicht auf der einen Seite die Wahrnehmung politischer Rechte und auf der anderen Seite einen absoluten Schutz vor Abschiebung. Das ist der Grund, warum es wichtig ist, dass sich Migrantinnen und Migranten noch vor dem 1. Januar 2018 an ihre Heimatgemeinde wenden mit dem Ziel, den ersten Schritt für ihre Einbürgerung zu machen.

Weil wir bei der Einbürgerung helfen wollen, stellen sich Mitglieder der SP und der SP MigrantInnen als «Einbürgerungsberaterinnen und Einbürgerungsberater» zur Verfügung. Sie können hier kontaktiert werden. Ausserdem unterstützt die SP die erleichterte Einbürgerung der 3. Generation, die auf einen Vorstoss von SP-Nationalrätin Ada Marra zurückgeht und über die wir am 12. Februar 2017 abstimmen werden. Ein Ja wäre ein grossartiges Zeichen an alle unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die heute noch keinen Schweizer Pass haben.

13. Okt 2016