Ende April hat der Nationalrat zweimal gegen die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs entschieden und damit gänzlich am Volk vorbeipolitisiert: 80 Prozent der Stimmberechtigten wollen einen bezahlten Vaterschaftsurlaub (gemäss einer repräsentativen Studie von Travail.Suisse). Die aktuelle Situation ist jedoch mittelalterlich: Heute wird die Vaterschaft vom Gesetz gleich behandelt wie ein Wohnungsumzug. Im Rahmen der «üblichen freien Tage» wird dem frischgebackenen Vater eine Kurzabsenz von einem oder zwei Tagen gewährt.
Die Geburt eines Kindes verändert jede Familie. Nach der Geburt wird der Vater zu Hause dringend benötigt, er unterstützt die Mutter, pflegt das Neugeborene und betreut vielleicht auch die Geschwister. Er übernimmt Verantwortung. Auch später braucht der Vater Zeit: Beispielsweise um die Kinderbetreuung zu organisieren, für die Eingewöhnung in einer Kindertagesstätte, um bei den Grosseltern das Kinderzimmer einzurichten oder um für das Kind da zu sein, wenn es einmal krank ist. Für diese Aufgaben Ferien zu beziehen, ist falsch. Ferien sind die Erholung von der Arbeit und ein wichtiger Pfeiler im Gesundheitsschutz. Ein Vaterschaftsurlaub ist also notwendig.
Ein echter Vaterschaftsurlaub wäre auch zeitgemäss. Vier Wochen Vaterschaftsurlaub – flexibel tageweise innert einem Jahr nach der Geburt zu beziehen - sind zwar noch weit entfernt von einer griffigen Familienpolitik, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Mit der Flexibilität kann auf die spezifische Familiensituation reagiert werden. Es ist vor allem ein pragmatischer Schritt für die Familien, der sich einfach ins aktuelle System integrieren lässt.
Der Vaterschaftsurlaub ist auch für die Gesellschaft von Nutzen. Engagieren sich Väter von der Geburt an in der Familienarbeit, so trägt dies viel zu stabilen und tragfähigen Familienbeziehungen bei. Spüren die Mütter zudem vom ersten Tag an die Entlastung durch ihre Partner, so sind sie eher bereit, nach der Babyphase wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Damit trägt ein Vaterschaftsurlaub zur Gleichstellung von Mann und Frau und zu einer Beteiligung der Mütter an der Erwerbsarbeit bei (Stichwort: Fachkräftemangel).
Zu den Gewinnern gehören aber auch die KMU – ein wichtiger Pfeiler der Volkswirtschaft Schweiz. Zwar haben viele Unternehmen das Bedürfnis erkannt und einen Vaterschaftsurlaub eingeführt. Allerdings fast ausschliesslich die grösseren Unternehmen. Sie können es sich leisten. Mit einer Lösung über die Erwerbsersatzordnung (EO) würden alle Erwerbstätigen und Arbeitgeber solidarisch den Vaterschaftsurlaub finanzieren, sodass dieser auch für KMUs und ihre Angestellten möglich würde.
Der Bundesrat veranschlagt in seinem Bericht von 2013 die Kosten für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub (28 Taggelder) auf rund 380 Millionen Franken. Das entspricht rund 0,12 Prozent der Lohnsumme in der Schweiz, d.h. auf die Arbeitnehmenden entfallen rund 0.06 Lohnprozente. Bei einem Monatslohn von 6000 Franken bedeutet das 3.60 Franken – nicht mehr als einen Kaffee. Dass der Vaterschafts- wie auch der Mutterschaftsurlaub über die EO entschädigt werden soll, ist folgerichtig. Ein Vaterschaftsurlaub ist also bezahlbar.
Nach dem Nein im Parlament muss das Volk den Vaterschaftsurlaub wieder auf die politische Traktandenliste setzen. Eine breite zivilgesellschaftliche Allianz von Frauen-, Männer-, Familien- und Arbeitnehmenden-Organisationen hat deshalb am 24. Mai eine Volksinitiative für vier Wochen Vaterschaftsurlaub lanciert. Auch die SP unterstützt die Initiative Mit einer Volksinitiative kann dem Parlament gezeigt werden, dass ein Vaterschaftsurlaub ein Bedürfnis der heutigen Gesellschaft ist.