Die Ermordung von Jean-Noël Rey und Georgie Lamon bei einem terroristischen Anschlag in Burkina Faso hat mich erschüttert. Beide Männer haben ihr Leben lang unbeirrbar an die Verbesserbarkeit der Welt geglaubt - auch wenn sie um die konkreten Schwierigkeiten sehr wohl wussten. Dass Jean-Noël und Georgie in Ouagadougou weilten, um eine Schulkantine zu eröffnen, ist bezeichnend für das Engagement, das beide antrieb; für ihren unbeugsamen Willen, die Verhältnisse menschlicher zu gestalten. Sie waren Utopisten der kleinen Schritte, idealistische Pragmatiker, Kämpfer für jene, denen das Kämpfen selber schwer fällt.

Jean-Noël und ich wurden 2003 zusammen ins Parlament gewählt. Damals hatte er bereits eine lange Karriere hinter sich: Als politischer Fachsekretär der SP und als persönlicher Mitarbeiter von Otto Stich. Ich habe von seinem Wissen und seiner Erfahrung enorm profitiert. Bei der Entwicklung von SP-Positionen war er als Finanzfachmann mit originellen Ideen für mich stets ein wichtiger Diskussionspartner.

Jean-Noël hat sich in der Fraktion stark eingebracht und leidenschaftlich mitdiskutiert – und das beinahe perfekt zweisprachig. Dass er in seiner Zeit im Nationalrat gleichzeitig Chef der Schweizer Niederlassung eines französischen Unternehmens war, hat ihn nie daran gehindert, sich ganz selbstverständlich in den Dienst der Partei zu stellen. Auch das hat viele in unserer Partei beeindruckt. In seinem Unternehmen hat Jean-Noël damals auch einen GAV abgeschlossen; auch als Chef vergass er die Perspektive der Angestellten nie.

Jean-Noël hat nie mit verdeckten Karten gespielt, er war ein offener, fröhlicher Kollege mit grossem Herz; und er war jovial, ein lebenslustiger Bonvivant, der gern ass und trank. Ebenso leidenschaftlich gern hat Jean-Noël auch gestritten; dies nie um des Streits willen, sondern stets im Namen der Sache.

Auch als PTT-Generaldirektor und später als Post-Chef bewies sich Jean-Noël als mutiger Reformer, der trotz allem Veränderungsdruck stets für den Service Public kämpfte. Damals musste die Post Tausende von Stellen abbauen, dies geschah aber ohne Kündigungen – und das in einer Zeit, in der Liberalisierungen gross in Mode waren und Unzimperlichkeit als Modernitätsbeweis galt.

Eine wichtige Rolle spielte Jean-Noël Rey in der Zeit nach der Wahl von Otto Stich in den Bundesrat. Er stellte sich in dieser kritischen Zeit für die SP als persönlicher Mitarbeiter an Stichs Seite und fungierte so als Brückenbauer zur Partei und insbesondere zur Romandie. Jean-Noël hat Otto Stich entscheidend dabei geholfen, seinen Platz zu finden.

Auch Georgie Lamon, Jean-Noëls Freund, der mit ihm sterben musste, hinterlässt eine grosse Lücke. Ich schätze mich glücklich, dass ich ihn noch kennenlernen durfte. Das war am letzten 1. August in Sierre. Georgie war, das merkte man sofort, eine grosse Persönlichkeit; und erst noch eine, die sympathische Gelassenheit und menschliche Wärme ausstrahlte. 

Mit Georgie Lamon ist ein Menschenfreund gewaltsam aus dem Leben gerissen worden. Ausgerechnet einer also, dem das Los anderer nicht egal war – weder in Afrika noch im Wallis, wo er unter anderem ein Altersheim gründete. Und wo er über Jahrzehnte Direktor der Organisation für die berufliche Integration von Behinderten im Welschland war. Georgie Lamon gründete auch die Vereinigung Yeelen (das Licht), die jenes Schulprojekt in Burkina Faso finanzierte, zu dessen Eröffnung er mit seinem Freund Jean-Noël nach Afrika gereist war.

Jean-Noël Rey und Georgie Lamon, beides Kämpfer für eine bessere Welt, sind einen zutiefst ungerechten Tod gestorben. Die tiefe Betroffenheit so vieler Menschen – weit über das Wallis hinaus – ist ein starkes Zeichen dafür, wie viel diese beiden zum Gemeinwohl beigetragen haben.

Jean-Noël Rey und Georgie Lamon waren grosse Sozialdemokraten. Sie haben unser Land – und die Welt – ein bisschen besser gemacht. Sie werden uns fehlen. Mein tiefes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.

 

Die Trauerfeier für Jean-Noël Rey und Georgie Lamon findet heute, 29. Januar 2016, in Sion statt.

28. Jan 2016