Zwei Entscheide von parlamentarischen Kommissionen Ende Juni lassen hoffen, dass die Schweiz in der Gleichstellungs- und damit auch der Familienpolitik aufholen kann. Denn wir hinken nicht nur fussballtechnisch Schweden hinterher, sondern auch familienpolitisch.

Zuerst die good news: Gleich zwei Kommissionen haben eben kleine Schritte beschlossen, um der seit 1981 in der Verfassung verankerten Gleichstellung von Frau und Mann doch noch ein bisschen näher zu kommen. Nach der äusserst knappen Mehrheit des Nationalrates in der Sommersession ist erstens nun auch die Rechtskommission des Ständerates für bescheidene Geschlechterrichtwerte bei grossen börsenkotierten Aktiengesellschaften. Zweitens hat die Bildungskommission des Nationalrates beschlossen, auf die Änderung des Gleichstellungsgesetzes überhaupt erst einzutreten. Diese sieht moderate Massnahmen für mehr Lohngleichheit zwischen Mann und Frau vor. Diese zwei Kommissionsentscheide von Ende Juni lassen hoffen, dass die Schweiz gleichstellungs- und damit unweigerlich auch familienpolitisch doch noch den Weg ins 21. Jahrhundert findet.

Denn wir hinken nicht nur fussballtechnisch Schweden hinterher, wie am Dienstag beim Achtelfinal-Out schmerzhaft zu erfahren war. Sondern auch familienpolitisch. So lehnt der Bundesrat – wenig überraschend – die Volksinitiative für vier Wochen Vaterschaftsurlaub (wie jeden Gegenvorschlag) ab. Kurz: Er sieht keinen Handlungsbedarf. Dies wohlverstanden, obwohl die Schweiz noch gar keinen Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub kennt. Väter können bei der Geburt eines Kindes lediglich im Rahmen der „üblichen freien Tage“ einen Urlaub beanspruchen (sprich: meist ein bis zwei Tage).

Zum Vergleich Schweden: hier gibt es 480 Tage Elternzeit, wovon jedem Elternteil 60 Tage vorbehalten sind. Die Wirkung: In Schweden wird heute die Elternzeit von Müttern und Vätern fast hälftig bezogen und die Eltern teilen sich auch die Erwerbs- und Familienarbeit gleichmässig auf. Bis zum achten Lebensjahr des Kindes gibt es in Schweden zudem einen Anspruch auf Teilzeitarbeit. Und jedes Kind hat ab zwei Jahren einen Platz in einer Vorschule garantiert (für 150 Franken monatlich). In der Schweiz dagegen arbeiten vor allem Frauen Teilzeit. Ein Kita-Platz ist nach wie vor Glückssache; und die Glücklichen müssen dafür sehr tief in die Tasche greifen.

Dennoch stemmte sich der Bundesrat noch im Mai gegen die Verlängerung des Impulsprogramms zur Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Ironie der Geschichte: Dieses Impulsprogramm wurde vom Bundesrat noch vor kurzem als wichtige Massnahme der Fachkräfteinitiative bezeichnet, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Zum Glück entschied sich der Nationalrat im Juni gegen den Willen des Bundesrates für die Weiterführung. Trotzdem: Viele Eltern können sich heute die professionelle externe Betreuung ihrer Kinder nicht leisten (auch wenn Kita-Mitarbeitende wahrlich nicht zu den Bestverdienern gehören! – Aber das ist eine andere Geschichte). Im Schnitt beträgt der Finanzierungsanteil der Eltern bei Kitas rund zwei Drittel. Zum Vergleich: In Schweden zahlen die Eltern 9 Prozent. Wenig überraschend kommt da die Infras-Studie 2015 zum Schluss, punkto finanzielle Belastung der Eltern bestehe Handlungsbedarf. Doch auch davon will der Bundesrat nichts wissen. Er ist gegen jeden Ausbau der Bundeskompetenzen in der familienergänzenden Kinderbetreuung und versteckt sich hinter dem Föderalismus.

Das alles lässt einen – wie der verlorene WM-Achtelfinal gegen Schweden – ratlos zurück. Fragt sich: Was will der Bundesrat familienpolitisch unternehmen, um den Sprung ins 21. Jahrhundert doch noch zu schaffen? Meint er es ernst mit der Fachkräfteinitiative? Das einzig konkrete dazu ist bislang die Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten bei Steuerabzügen der direkten Bundessteuer. Doch damit manövriert sich der Bundesrat definitiv – um beim Fussball zu bleiben – ins Offside. Denn davon würden in erster Linie einkommensstarke Haushalte profitieren; da Familien mit tieferen Einkommen sowie Alleinerziehende kaum oder keine direkte Bundessteuer zahlen. Wenn schon Familienpolitik via Steuern betrieben wird, dann wären Steuergutschriften der Ansatz. Davon würden alle profitieren, da diese vom Steuerbetrag statt vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Aber auch davon will der Bundesrat nichts wissen.

Wie weiter also nach all den Niederlagen gegen Schweden – auf dem Fussballfeld und erst recht in der Politik? Die pessimistische Spielanalyse: Wahrscheinlich ist wirklich nicht mehr zu erwarten bei einem Bundesrat mit nur gerade zwei Frauen und vier bürgerlichen Ü-55. Die ewigen Optimistinnen freuen sich derweil bereits über die kleinen good news und hoffen auf einen Generationenwechsel. Damit bald auch Schweden sagen kann: Heja Schweiz – välkommen år 2018!

06. Jul 2018