Die bescheidene Erhöhung der AHV-Renten – gemäss dem neuen Beschluss des Ständerats – ist ein guter Schritt in die nötige Richtung. Die Bundesverfassung verlangt, dass die AHV-Renten existenzsichernd sein müssen. Noch besser wäre darum eine Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent, wie sie die Volksinitiative AHVplus vorsieht.

Die AHV-Renten sind heute zu tief und sollten zumindest gemäss der gewerkschaftlichen Volksinitiative AHVplus um 10 Prozent erhöht werden. Zum Vergleich: Seit 2011 wurden schweizweit über 1‘000 Milliarden zur steuerfreien Ausschüttung an die Aktionäre genehmigt. Das ist ungerecht. Auch dieser Missstand muss dringend behoben werden. Der ungleich verteilte grosse Reichtum in unserem Land zeigt, wie problemlos die nötige AHV-Verbesserung finanzierbar ist.

Mit dem Beschluss des Ständerats wird das Projekt Altersvorsorge 2020 um ein beachtliches Stück mehrheitsfähiger. Renten-Abbauvorlagen – in diesem Fall das höhere Frauenrentenalter und wegen dem gesenkten Umwandlungssatz tiefere Renten der Pensionskassen – lehnt das Volk erfahrungsgemäss ab. Die um 70 Franken pro Person und Monat höhere AHV-Rente gibt nun der Reform eine positive Wende. SP, CVP und Grüne unterstützen sie, SVP und FDP lehnen vehement ab. Die kommenden Wahlen entscheiden, ob sich auch die Mehrheit im Parlament ab 2016 für höhere AHV-Renten entscheiden wird.

Mit 70 Franken pro Monat kommt die AHV dem verfassungsmässigen Ziel, den «Existenzbedarf angemessen zu decken», für ein Alter in Würde etwas näher. Das ist wichtig. Zur Erinnerung: Gemäss Bundesstatistik sind 26 Prozent oder fast 340‘000 der über 65jährigen in der Schweiz arm. Fast 40 Prozent der Rentnerinnen haben nur die AHV, für zwei Drittel aller Rentner ist die AHV, deren Durchschnittsrente bei 1‘800 Franken liegt, das Haupteinkommen.

Ein lediger Handwerker, der zuletzt einen Lohn von 5‘500 Franken hatte, erhält ein Renteneinkommen von etwa 3‘000 Franken (1‘900 AHV, 1‘100 Pensionskasse). Eine Verkäuferin, die zwei Kinder erzogen hat und etwas mehr als 4‘000 Franken verdiente, kommt auf ein Renteneinkommen von etwa 2‘400 Franken (1‘900 AHV, 500 Pensionskasse). Da sind 70 Franken nicht nichts, sondern dringend nötig. Der erste Schritt ist getan, aber er genügt nicht. Besser und gerechter wären 10 Prozent mehr AHV gemäss der Initiative AHVplus – also je 190 Franken für die erwähnten Tieflohnbeziehenden.

Zur Finanzierung beantragt der Ständerat richtigerweise einen gewissen Ausgleich: Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen via Mehrwertsteuer zur Sicherung der Renten beitragen und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine geringe Erhöhung der Lohnabzüge um je 0,15 Prozent. Das ist sinnvoll. Das Modell AHVplus der Initiative der Gewerkschaften würde übrigens rund 4.1 Milliarden Franken kosten. Das heisst je 0,4 zusätzliche Lohnprozente für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein vertretbarer Preis, um die in der reichen Schweiz beschämend hohe Altersarmut zu reduzieren. Diese spürbare Rentenerhöhung würde den Staat bei den Ergänzungsleistungen (EL) entlasten. Zudem ist das Schlupfloch in der AHV-Beitragspflicht wegen der neu von den Steuern befreiten Dividendenzahlungen zu stopfen.

Hier ist allerdings hervorzuheben, dass schweizweit seit 2011 über 1‘000‘000‘000‘000 Franken (über 1‘000 Milliarden Franken) zur steuerfreien Ausschüttung an die Aktionäre genehmigt wurden. Das resultiert aus dem Abschtimmungsbschiss bei der Unternehmenssteuerreform II, wo wir das Referendum hauchdünn verloren haben. Dieses neue Milliarden-Steuergeschenk bewirkt eine gigantische Umverteilung zugunsten der Aktionäre und –zwangsläufig – zulasten der Lohnbezügerinnen und Lohnbezüger. Dieser Missstand muss dringend korrigiert werden.

Eine Unternehmenssteuerreform III ohne Korrektur dieser gigantischen Milliarden-Giesskanne zugunsten der reichsten Aktionäre wird nicht zu haben sein. Eine breite Allianz für Steuergerechtigkeit wird das verhindern. SVP und FDP sind sowieso im Argumentationsnotstand: Für die Aktionäre haben sie über 1‘000 Milliarden Franken zur steuerfreien Ausschüttung freigegeben - bei der AHVplus-Initiative sind 4,1 Milliarden (!) für sie nicht finanzierbar.

Ein bisschen Mathematikunterricht könnte da nicht schaden. Auch und gerade vor den Wahlen nicht!

18. Sep 2015