Als ich zum Gerichtsgebäude kam, konnte ich kaum glauben, was für eine Masse von Menschen da auf Einlass zu Mohamed Wa Baile’s Verfahren wartete. Einer der ersten behandelten Fälle von «Racial Profiling», bei dem ein schwarzer Mann den Mut hat, für seine Rechte einzustehen und sich nicht als Bürger zweiter Klasse behandeln zu lassen. Im Gerichtssaal forderte der Richter die Anwesenden auf, sich in einer geordneten Art und Weise zu verhalten, welch Ironie...

Wir sehen Mohamed Wa Baile, wie viele der anderen Anwesenden von dunkler Hautfarbe, als Repräsentant für all die Migranten, die sich täglich um Integration in die Schweizer Gesellschaft bemühen. Abgesehen von der offensichtlichen äusseren Erscheinung waren die einzigen Hinweise auf den Migrationshintergrund der Anwesenden vereinzelte bunte Schmuckstücke oder eine Handtasche mit Tiermuster. Etwas was jeder «echte Schweizer» ebenfalls tragen würde.

Ich sass da mit klopfendem Herzen. Die Tatsache, dass ich Mohamed persönlich kenne und er aus dem gleichen Land stammt wie ich, also mein Bruder hätte sein können, gab mir das Gefühl, selber vor Gericht zu stehen.

Obwohl ich schon wusste, was das Urteil sein wird (mein Vertrauen habe ich schon lange wegen unzähliger undokumentierter Fälle verloren), betete ich insgeheim, irgendwie falsch zu liegen. Der Fall Mohammed Wa Baile repräsentiert einen Meilenstein für die Gemeinschaft der Einwanderer. Es war das erste Mal, dass jemand es gewagt hat, gegen «Racial Profiling» Berufung einzulegen. Ein offizieller Hilferuf gegen «Racial Profiling» und institutionellen Rassismus, mit dem wir Migranten und Migrantinnen konfrontiert sind, gegen den wir uns aber oft aus Angst nicht wehren. Nachdem ich das Thema für meine Diplomarbeit erforscht hatte, wusste ich, wie schwierig es für Betroffene ist, hervorzutreten.

«Ich habe einen Traum», ich musste tief durchatmen, als der Richter die gleichen Worte wie Mohamed Wa Baile benutze, um seine Gründe für die Ablehnung der Polizeikontrolle zu erklären, «dass auch meine Kinder in einer Welt aufwachsen, wo jede Rasse gleich ist. Aber als Angestellter des Staates bin ich den Gesetzen des Landes verpflichtet und kann eine politische Beeinflussung meiner Entscheidungen nicht zulassen.»

Während ich meine Emotionen und Tränen der Frustration über den Zuckerüberzug des Verdikts zu unterdrücken versuchte, sah ich Mohamed den Kopf schütteln, ebenfalls seine Reaktion kontrollierend. Ich erinnere mich, den Richter sagen zu hören, Mohamed solle seinen Kampf nicht aufgeben.

Als wir uns alle draussen auf der Pressekonferenz versammelten, war ich zu verstört, um das Urteil zu tweeten. Zwischen all den Leuten schaffte ich es, Mohamed, eine Umarmung zu geben und ihm für seinen Mut zu danken. Ich habe das Gefühl, das war nur der Anfang.

15. Nov 2016