Auch wer sich mit dem Finanzplatz intensiv beschäftigt hatte, war am 16. Oktober 2008 wohl überrascht, dass die UBS nur noch mit Staatsgeldern zu retten war. Dass aber von den beiden Grossbanken ein beträchtliches Risiko für die gesamte Volkswirtschaft ausging, musste wissen, wer zuvor den Kopf nicht in den Sand - oder wie Onkel Dagobert in den Geldhaufen - gesteckt hatte. Die faktische und nicht abgegoltene Staatsgarantie war in der öffentlichen Debatte ein Tabu und linke Kritiker mussten sich absolute Unkenntnis der Situation vorwerfen lassen, wenn sie früher die Systemrelevanz der beiden Giganten vom Paradeplatz ins Feld führten.

Für unsinkbar wie einst die Titanic galten in bürgerlichen Kreisen UBS und Credit Suisse. Das war schon nur darum der Fall, weil der ordnungspolitische Sündenfall einer staatlichen Bankenrettung nicht gedacht werden durfte. Und als zu Beginn der Finanzkrise 2008 auch die SNB-Spitze um Philipp Hildebrand das Missverhältnis von Risikobereitschaft und Kapitaldecke öffentlich zu kritisieren begann, zeigte sich die ganze Arroganz eines Umfeldes, das sich längst um die schweizerische Heimbasis foutierte: Man verbat sich diese Einmischung und sprach den Regulatoren in Bern die nötige Kompetenz und Marktkenntnis ab. 

Wer gehofft hatte, dass mit der staatlichen Hilfe in Bankenkreisen - inklusive der von ihnen lobbyierten und finanzierten Parteien - zumindest etwas mehr Demut Einkehr halten sollte, war bald ernüchtert: Die UBS-Spitze schreckte nicht einmal davor zurück, per Mail ihren Mitarbeitenden zu erklären, dass die Milliardenspritze nicht wirklich zwingend gewesen wäre. Es sollte erneut dem Staat der Schwarze Peter untergejubelt werden. Und so verbat man sich auch jede Einmischung in die Lohnpolitik und schüttete auch weiterhin Millionenboni aus - trotz Milliardenverlusten und Staatsgarantie.

Fünf Jahre später reibt man sich zuweilen die Augen: es ist den verantwortlichen Akteuren gelungen, die teuren und schmerzhaften Folgen der Finanzplatzeskapaden als alleinige Konsequenz staatlicher Schulden darzustellen. Dass Staaten wie Irland und Spanien erst aufgrund der Bankenrettungen in Finanznöte gelangt sind, wird unterschlagen. Die nötigen Too-Big-To-Fail-Massnahmen werden verwässert und mit dem Argument der Wettbewerbsfähigkeit werden selbst zwingende Kapitalanforderungen verteufelt. 

Selbstkritische Gedanken, wie sie vor fünf Jahren zumindest teilweise aufkamen, sind mittlerweile definitiv verflogen. So wäre einfach zu wünschen, dass sich Finanzplatz wie auch Politik dieser Tage daran erinnern, dass auch eine Titanic auf Grund laufen kann. Wer heute zukunftsweisende und nachhaltige Finanzplatzpolitik betreiben will, muss den Herbst 2008 immer im Hinterkopf behalten. Und eine solche Politik ist heute nur mit deutlich mehr Eigenmitteln, mit einer progressiven Weissgeldstrategie und einem Entlöhnungsmodell, das Risikoexzesse abstraft, realisierbar. Es ist unverantwortlich und unverständlich, wenn heute agiert und politisiert wird, wie wenn vor fünf Jahren nichts geschehen wäre.

16. Okt 2013