Wir sind Zeugen eines eher ungewöhnlichen Ereignisses heute. Vielleicht habt ihr diese Tage der Presse entnehmen können, dass sich die SP und die FDP einen offenen Streit liefern, insbesondere was die Fragen zur Personenfreizügigkeit betreffen. Dass nun aber alle Spitzen der Parteien – mit Ausnahme der Initianten natürlich – hier und heute zusammenkommen, zeigt die Ernsthaftigkeit des Anliegens, das uns beschäftigt. Was mich betrifft, ist der heutige Auftritt in dieser Zusammensetzung eine Première als Präsident der SP seit fünf Jahren. Und wenn wir heute gemeinsam hinstehen, dann mit der klaren Botschaft: die SVP-Initiative bedeutet eine Bereicherung für wenige auf dem Buckel aller Familien mit mittleren und unteren Einkommen.

Zunächst gilt es ein paar Dinge klarzustellen:

  • Wir stimmen nicht über die Familien ab. Wir stimmen über Steuerabzüge ab.
  • Wir stimmen nicht einmal für Steuerabzüge für alle Familien ab, sondern nur für diejenige, wo die Frau nicht arbeitet.
  • Wir stimmen aber noch weniger über Steuerabzüge ab für alle Familien, wo die Frau nicht arbeitet. Nein, nur für die gut situierten unter diesen.

Auch wenn es schwierig ist die Konsequenzen der Initiative in allen Kantonen zu verallgemeinern ist die Situation bei der Bundessteuer glasklar. Zunächst muss festgehalten werden, dass die Hälfte der Familien gar keine Bundessteuern bezahlt. Will bedeuten: Keine Steuern, kein Steuergeschenk.

Für alle anderen, unter der Annahme der geforderte Abzug bewege sich in der gleichen Höhe wie der Abzug für Fremdbetreuungskosten, würde ein Steuerausfall in der Höhe von 1,4 Mrd. Franken resultieren. Auf individueller Ebene sähe die Situation folgendermassen aus: Eine Familie mit steuerbarem Einkommen von 60‘000 Franken würde eine Steuersenkung bei den Bundessteuern von 200.- erhalten. Bei einem steuerbaren Einkommen von 200‘000 Franken könnte die Familie 2600.- Bundessteuern einsparen.

Im Klartext:

  • Bei dreiviertel aller Familien Arbeiten beide Elternteile. Diese würden gar nichts erhalten.
  • Alle Familien die keine Bundessteuern zahlen profitieren auch nichts.
  • Mittelstandsfamilien können mit dem eingesparten Geld einen Zoobesuch unternehmen.
  • Familien mit einem hohen Einkommen könnten sich neu eine Woche Ferien am Meer leisten.

All das wäre finanziert vom Staat durch die Steuerzahlenden. Die Steuerausfälle werden auf 1,4 Mrd. Franken geschätzt. Wegen der Schuldenbremse müssten diese Ausfälle durch Leistungsabbau kompensiert werden. Leistungsabbau bei den Sozialversicherungen, in der Bildung, bei der Landwirtschaft oder bei der Entwicklungshilfe. Wir akzeptieren keinen Leistungsabbau für die Mittelschichten, um damit reichen Familien Steuerrabatte zu gewähren nur weil ihre Frauen zu Hause bleiben.

Die SVP gibt an, dass die Initiative haushaltsneutral umgesetzt werden kann und es in erster Linie darum gehe die Gleichbehandlung der Familien mit und ohne Fremdbetreuung herzustellen. Es lohnt sich, dieses Argument unter die Lupe zu nehmen. Im Klartext schlägt die SVP vor, Abzüge zu senken, welche heute dreiviertel der Familien zu Gute kommen, um ihre eigene Wählerschaft zu befriedigen. Das ist ziemlich plump und enthüllt schön die wahre Absicht der Initianten.

Diese Initiative kostet. Und die Kosten werden getragen von den Familien aus der Mittelschicht, weil

  • Leistungen des Staates, welche ihnen zu Gute kommen abgebaut werden.
  • Sie durch die Senkung des Fremdbetreuungsabzuges mehr Steuern bezahlen müssten.

Die StimmbürgerInnnen stimmen nicht über eine Initiative für die Familien ab. Es geht vielmehr darum, dass die StimmbürgerInnen einen Bereicherung auf dem Rücken der Familien verhindern müssen. Das ist nicht ganz das Gleiche und rechtfertigt die heutige breite Mobilisierung gegen diese Initiative.

05. Nov 2013