In den Deutschschweizer Medien wurde der Vorschlag der Arbeitgeber bekannt, das AHV-Alter für Frauen und Männer auf 67 Jahre zu erhöhen, und dies erst noch in Umgehung einer Volksabstimmung. Damit würden gleichzeitig der Schweizer Sozialstaat und die Demokratie mit Füssen getreten. Eine Rentenreform-Vorlage mit solch unsozialen und undemokratischen Vorgaben wäre nicht nur für die SP, sondern sicher auch für eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler inakzeptabel. Wer so handelt, nimmt das Scheitern der Rentenvorlage bewusst in Kauf und schadet damit unserem Land.

Der in verschiedenen Deutschschweizer Medien veröffentlichte Vorschlag der Arbeitgeber sieht vor, dass bei einer Unterschreitung der vollen Jahresdeckung des AHV-Fonds der Bundesrat Massnahmen vorschlagen muss; bei einer weiteren Senkung unter 80 Prozent Deckung ein Jahr darauf, soll das Rentenalter automatisch in jährlichen Tranchen von 4 Monaten auf 67 Jahre erhöht werden, nebst einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4%. Sind die Finanzen danach wieder im Lot, wird die Erhöhung des Rentenalters nicht rückgängig gemacht.

Das Vorgehen ist doppelt unakzeptabel: Zum einen kommt es einem massiven Sozialabbau gleich, weil

  1. eine Sanierung so vor allem übers Alter und kaum über die Finanzierung erreicht würde; das belastet hauptsächlich die kleinen und mittleren Einkommen, die sich einen vorzeitigen Erwerbsaustritt nicht leisten können;
     
  2. viele Menschen mit körperlich belastenden Berufen bereits heute nicht bis zum fixen Rentenalter arbeiten können und bei einer rigiden Erhöhung des Rentenalters die Zahl der Sozialhilfebezüger vergrössern werden, was die Gesellschaft insgesamt mehr Geld und die Betroffenen ihre Würde kostet;
     
  3. Menschen mit tiefen Einkommen zudem über eine massiv kürzere Lebenserwartung verfügen; zwei Jahre weniger Rente bei acht Jahren Lebenserwartung mit 65 wirken sich massiv stärker aus als zwei Jahre weniger Rente bei über zwanzig Jahren Lebenserwartung;
     
  4. die unsoziale Massnahme auf Vorrat beschlossen wird, ohne überhaupt zu wissen, wie sich die Lebenserwartung in den nächsten 20 Jahren entwickelt und vor allem in welchem Ausmass die grössere Produktivität der Wirtschaft und die höhere Erwerbsquote insbesondere bei den Frauen die Kosten der erhöhten Lebenserwartung kompensieren können, wie dies in den letzten Jahrzehnten jeweils weitgehend geschehen ist.
     

Zum anderen bringt der Vorschlag der Arbeitgeber auch einen groben Demokratieabbau, weil

  1. die in unserem Land wichtigen Volksrechte ausgerechnet bei der gesellschaftlich zentralen Frage des Rentenalters vom Parlament per Gesetz durch einen willkürlichen Automatismus ausgehebelt werden sollen, und dies mit Unterstützung der sogenannten Volkspartei, die sich sonst bei wichtigen und weniger wichtigen Themen für die Volksrechte stark macht;
     
  2. die dreiste Behauptung, dabei handle es sich im Gegensatz zur Asyl- oder Ausländerpolitik um rein versicherungstechnische Fragen, von denen das Volk zu wenig verstehe, inzwischen auch in verschiedenen Medien so übernommen und damit gesellschaftsfähig worden ist, was gemeinsam mit ähnlichen Vorstössen wie beispielsweise der «Entpolitisierung des Mindestumwandlungssatzes» letztlich zu einer Ausklammerung der sozialpolitischen Fragen aus der direkten Demokratie führen soll.

Sozial- und Demokratieabbau sind Gift für unsere Gesellschaft und unser Land. Sollte die neue harte Rechte die massive Rentenaltererhöhung am Volk vorbei durch das Parlament boxen, müssten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger diese faktische Privilegienwirtschaft an der Urne begraben. Damit wird völlig unnötigerweise Ideologie betrieben und der für das Land notwendige Erfolg der Rentenreform 2020 gefährdet.

21. Apr 2016