Immer wieder kommentieren Politikerinnen und Politiker Gerichtsprozesse und geben dabei Auskunft über Prozesse, über die sie eigentlich nur wenig wissen. Dabei geht es nicht um die Sache selbst, sondern in erster Linie darum, sich in den Medien zu präsentieren und populistische Parolen auszurufen. Dazu kommt: Die Einmischung der National- und Ständeräte in Gerichtsprozesse ist auch aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch.

Seit ich auch Mitglied der Rechtskommission des Nationalrates bin, häufen sich bestimmte Anfragen. Sie kommen meist von mässig motivierten Lokalradiojournalistinnen und -journalisten, die sich danach erkundigen, was ich von diesem oder jenem Gerichtsurteil halten würde. Einige Anfragende sind dann verdutzt, wenn ich ihnen sage, es sei nicht an mir als Parlamentarier, richterliche Entscheide zu kommentieren. Es gibt nämlich so etwas wie eine Gewaltenteilung in der Schweiz. Zumal abgesehen davon auch für einige Kolleginnen und Kollegen gälte, dass man nicht Vorgänge bewerten soll, über deren Hintergründe man nicht Bescheid weiss. Und schon gar keine Menschen. Denn bei diesen Anfragen geht es meist um Strafprozesse – das verkauft sich in den Medien gut.

Eine gewisse Verpolitisierung der Justiz stelle ich aber auch im Parlament fest. Aufgrund der öffentlichen Diskussion im Boulevard und im Netz wird der Ruf nach härteren Strafen immer lauter. Es geht um Verwahrung, Pädophilie, Ausschaffung, Sozialhilfebetrug oder Hooligans. Dabei werden Überwachung, Mindeststrafen oder Automatismen eingefordert. Dass dabei immer mehr das richterliche Ermessen eingeschränkt und die Verhältnismässigkeit tangiert werden, scheint vielen nicht klar. Es geht nur um Popularität: Verschärfung kommt gut an. Ausser bei Waffenexporten oder Steuerhinterziehung. Die Diskussion klingt manchmal so: «Mord muss endlich konsequent bestraft werden! Bitte wählen Sie mich wieder!».

Eine etwas anders politisierte Justiz sitzt in Madrid. Ich glaube nicht, dass sich der Konflikt in Katalonien mit Verhaftungen lösen lässt. Rechtlich stellt sich nun auch den deutschen Gerichten die Frage, ob jemand wegen angeblicher „Rebellion“ an Spanien ausgeliefert werden muss – selbst wenn er nie Gewalt angewendet oder gefördert hat. Deutschland ist nicht zu beneiden. Und vielleicht sollte die spanische Regierung endlich mit den Katalanen sprechen, statt sie zu verhaften.

Gar keine unabhängige Justiz hat die Türkei. Die Regierung macht mir mit ihrem völkerrechtswidrigen Vorgehen in Afrin, ihrem Geballer selbst in der Ägäis zunehmend Angst. Nicht zu reden von der politischen Säuberungswelle seit dem Putschversuch. Zwischendurch versucht man auch noch in Zürich einen Schweizer Staatsbürger zu verschleppen. Geht es eigentlich noch? Wenn sich die Schweiz dies gefallen lässt – was dann noch alles?

Halten wir also der Unabhängigkeit unserer Justiz Sorge. Die Gewaltenteilung ist die Grundlage unseres Rechtsstaates. Und auch Verfassungsprinzipien wie das Prinzip der Verhältnismässigkeit oder das Willkürverbot sind unverzichtbare Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie.

30. Mär 2018