Die Familieninitiative der SVP will gleich hohe Steuerabzüge für alle Familien. Wer sich davon mehr Gerechtigkeit erhofft, täuscht sich gewaltig. Stattdessen bringt die Initiative Steuergeschenke an Reiche oder eine weitere Verschärfung des Fachkräftemangels - je nach Umsetzung. Teuer ist sie in jedem Fall.

Nun geht es wieder um: das Gerücht, man könne mit Steuerabzügen Ungerechtigkeiten aus der Welt räumen. Das Gegenteil ist richtig. Steuerabzüge sind zwar das Schönste an jeder Steuererklärung. Sie führen aber zu mehr Ungerechtigkeit. Die Ersparnisse der einen bezahlen immer die anderen mit höheren Steueranteilen. Dabei geht es um viel Geld. Bei Bund und Kantonen beliefen sich die Steuerausfälle auf rund 1,4 Milliarden. 

Von Steuerabzügen profitieren wegen der Progression in erster Linie die Reichen - und das, wie gesagt, auf Kosten aller. Eine Familie mit einem Einkommen von 60'000 Franken spart bei vollem Abzug rund 200 Franken Steuern. Eine Familie mit einem Einkommen von 200'000 Franken spart hingegen mehr als das Zehnfache. Der Bauarbeiter könnte mit seiner Familie einen Tagesausflug in die Berge finanzieren, der Professor eine Woche Ferien auf den Kanarischen Inseln. Von Gerechtigkeit keine Spur. Eine 'Familien-Initiative', die diesen Namen wirklich verdient, würde wohl genau das Gegenteil bewirken. 

Die Exponenten der SVP betonen deshalb, man könne ihre Initiative auch anders umsetzen und die Steuerabzüge für Fremdbetreuung einfach abschaffen. Die Folgen dieses Weges wären ebenfalls sehr teuer. Denn man nimmt den jungen Müttern noch den letzten Anreiz, arbeiten zu gehen. Als Folge davon würden noch weniger gut ausgebildete Mütter in die Berufswelt einsteigen. Ganz einfach deshalb, weil sich für sie die Arbeit nicht mehr lohnt. Ein voller Krippenplatz für zwei Kinder und fünf Tage in der Woche kostet in Basel gegen 50'000 Franken. Hinzu kommen noch die Steuern und erheblicher Stress. Vom zusätzlichen Einkommen bleibt wenig bis nichts übrig. So bleiben die Mütter, die es sich leisten können lieber zu Hause und die Wirtschaft holt die dringend benötigten Arbeitskräfte anderswo. 

Schon heute beklagen wir Mangel an Ärztinnen, an Pflegepersonal, Lehrkräften und vielen anderen Berufsleuten. Wer den jungen Müttern die Chance vermiest, ihren Berufen nachzugehen, muss sich nicht wundern, wenn die Fachkräfte aus dem Ausland geholt werden. Dass ausgerechnet die SVP eine Vorlage präsentiert, welche die Einwanderung anheizt, zeigt, wie wenig sie die Konsequenzen ihrer Idee bedacht hat. 

Steuerabzüge sind kein Mittel um Gerechtigkeit zu schaffen. Das gilt auch für die Steuerabzüge für Fremdbetreuung. Diese haben aber einen ganz grossen Vorteil. Sie kosten nichts. Im Gegenteil, sie sind für alle ein Gewinn. Arbeitende Mütter bezahlen die Steuerabzüge für Fremdbetreuung dem Staat über die höheren Steuern, die sie als Folge ihrer Berufstätigkeit abliefern, sechsfach wieder zurück. Im Kanton Basel-Stadt sieht so aus: Die Steuermindereinnahmen aus dem Fremdbetreuungsabzug betragen rund 2,7 Mio. Die Steuereinnahmen durch die Steuern auf dem Zweiterwerb der betroffenen Familien betragen 18,3 Mio. Franken. Der Staat und damit auch die nicht berufstätigen Eltern profitieren von den berufstätigen Müttern. Und viele Kinder übrigens auch. Denn Kinderkrippen leisten oft wertvolle Arbeit, welche die Kinder in ihrer Entwicklung fördert. 

Familienpolitik ist keine Frage von Betreuungsmodellen und schon gar keine Frage von Steuerabzügen. Gute Familienpolitik dreht sich um die Kinder und verhilft ihnen zu guten Chancen für die Zukunft. Eine faire Unterstützung geht deshalb nicht über die Steuerabzüge, sondern, wenn schon, über Kinderzulagen.

14. Nov 2013