Kaum hat sie angefangen, ist mir die Diskussion, ob die Burka verboten gehört oder nicht, schon etwas verleidet. Ob Burka oder Burkaverbot – bei beidem sträuben sich mir die Nackenhaare, hinter beides gehört ein simples Nein. Damit wäre das Kapitel eigentlich erledigt, denn wegen geschätzter hundert Burkaträgerinnen ernsthaft die Verfassung abändern zu wollen, ist schlicht widersinnig.

Aber leider ist es nicht so einfach, denn – Überraschung! – es geht gar nicht um die Burka. Ebenso wenig, wie es bei der Minarett-Initiative ums Minarett gegangen ist oder es bei einer zukünftigen Halal-Initiative ums Schächten gehen wird. Der simple Plan liegt darin, einen tiefen Graben zwischen uns und die anderen zu ziehen und so die schweizerische Identität zu definieren. Im Zentrum steht dabei der weisse, patriotische, rechtschaffene Schweizer, dessen Lebensaufgabe darin besteht, Frau, Kind und Eigentum vor dem Fremden zu schützen (ob Frau und Kind das wollen, ist nebensächlich). Er bestimmt, was geht und was nicht, was richtig ist und was falsch, was oben ist und was unten. Ohne rot zu werden, propagiert die Rechte das Burka-Verbot als Kampf für die Gleichstellung. Dieselben Männer, die häusliche Gewalt als «Kavaliersdelikt» abtun und Lohnkontrollen als «Regulierungswahn». Ihr Ziel: Fremd- und Andersartigkeit als abnormal abtun, als nicht dazugehörig, als zersetzend und störend. Und zum Maximum der Fremd- und Andersartigkeit sind heutzutage die Moslems geworden, so wie es zu anderen Zeiten die Tamilen, Russen oder Juden waren.

Natürlich lohnt es sich, sich für die Dinge einzusetzen, die einem wichtig sind. Das tun wir jeden Tag und das kann ohne kulturellen Imperialismus und nationalistische Färbung passieren. Auch dünkt es mich gescheiter, nicht von Beginn weg auf Verbote zu setzen, sondern auf Neugier und Lust an Auseinandersetzung. Und auf das Wissen, dass jede Gesellschaft voll von Widersprüchen und Differenzen ist – zwischen NachbarInnen, FreundInnen, Paaren, SchweizerInnen, AusländerInnen. Oder anders gesagt: Ein Unterschied ist doch meist einfach ein Unterschied und nicht eine kulturelle Differenz. Und diese Unterschiede haben auch Platz, solange sie nicht die Freiheit anderer einschränken.

Deshalb finde ich, dass wir die Burka nicht einfach links liegen lassen sollten – was sie objektiv verdienen würde –, sondern uns voll hineinwerfen in die Auseinandersetzung mit den selbsternannten Wächtern des Abendlandes. Und gegen jeden Millimeter ihres nationalistischen Gedankenguts ankämpfen.

 

Publiziert im «links» Nr. 165

13. Okt 2016