Das Bundesgericht hat – wie zu erwarten war – verfassungskonform entschieden: Laut Artikel 195 der Bundesverfassung treten Verfassungsänderungen am Tag ihrer Annahme durch das Volk in Kraft. Die Beschränkung von Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20% gilt also seit dem 11. März 2012. Baubewilligungen sind anfechtbar und wegen der Übergangsbestimmung ab dem 1. Januar 2013 nichtig. Weil der Landschaftsschutz eine Bundesaufgabe ist, erhalten zudem anerkannte Landschaftsschutzorganisationen das Beschwerderecht. Die Bundesgerichtsurteile zeigen: Die Schweiz ist ein Rechtsstaat, Verfassung und Volksentscheid werden respektiert, auch unter grösst möglichem Druck durch bürgerliche Parteien, Kantonsvertreter und Wirtschaftsverbände. Das ist gut so.

Dramatisch sind die Reaktionen aus dem Berggebiet. Kantonsvertreter und Kommunalpolitiker malen Untergangsszenarien. Das grosse Geschäft mit dem Zweitwohnungsbau auf Kosten der Landschaft und der traditionellen Ortsbilder, auf Kosten eines nachhaltigen Tourismus, soll möglichst lang weitergeführt werden. Mit ihrer Schlupflochpolitik setzen sie viel aufs Spiel. Wenn beispielsweise in Gemeinden, die bereits einen höheren Anteil als 20% aufweisen, Erstwohnungen und unrentable Hotels ohne wirksame Einschränkungen in Zweitwohnungen umgenutzt werden dürfen, dann führt dies unweigerlich zur verfassungswidrigen Erhöhung des Zweitwohnungsbestandes. Je grösser die Schlupflöcher in Verordnung und Ausführungsgesetz ausfallen, desto sicherer ist die Anfechtung von Bewilligungen vor Bundesgericht oder später ein Referendum. Die Bundesrichter fordern die Politik auf, das Zweitwohnungsgesetz möglichst schnell in Kraft zu setzen und so für Rechtssicherheit zu sorgen. Richtig, doch schnell geht es nur, wenn auch die Politiker der Verfassung und dem Volkswillen möglichst treu bleiben.

Die veränderten Rahmenbedingungen bieten Chancen für den nötigen Innovationsschub im Tourismus. Die Änderungen sind längst fällig. Wichtig sind dabei die Bewirtschaftung und Erneuerung des bestehenden Zweitwohnungsparks, die Förderung der Hotellerie sowie die Bereitstellung von ausreichend und erschwinglichem Wohnraum für die ortsansässige Bevölkerung und die saisonal beschäftigten Arbeitskräfte. Wichtig ist auch, dass strukturschwache Bergtäler, die von Abwanderung und Arbeitsplatzmangel betroffen sind und kaum Nachfrage nach Erstwohnungen aufweisen, speziell berücksichtigt werden. Der Bewilligungsstopp für Zweitwohnungen hat kurzfristig Konsequenzen für die seit Jahren boomende und in Tourismusgebieten gerade wegen des spekulativen Zweitwohnungsbaus aufgeblasene Bauwirtschaft. Doch auch der bestehende Zweitwohnungspark muss in Stand gehalten, renoviert oder energetisch saniert werden. Besser früher als später muss sich die Bauwirtschaft auf normale Bauvolumina einstellen. Die klassische Tourismusindustrie hingegen wird zu den Gewinnern zählen. Eine Studie des BAK (Basel Economics AG, 2013) über die Auswirkungen der Zweitwohnungsinitiative kommt zu den folgenden zentralen Erkenntnissen: „Erstens wird deutlich, dass bei der ausführenden Gesetzgebung zur Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative Sorgfalt getragen werden muss, damit die Wirtschaft alternative, nachhaltigere Geschäftsmodelle umsetzen kann. Zweitens zeigt sich, dass in der Durchschnittsbetrachtung die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen in jedem Fall zwar kurz- und mittelfristig schmerzhaft, langfristig aber verkraftbar sind.“

Eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Zweitwohnungsgesetzes ist also möglich und erstrebenswert. Weitere Bundesgerichtsverfahren oder ein Referendum wird man dann nicht fürchten müssen. Zweitwohnungen ohne Ende, dies ist keine Perspektive für das Berggebiet. 

28. Mai 2013