Das Schweizer Stimmvolk hat im März ein überdeutliches Zeichen gegen die Abzocker- und Selbstbedienungsmentalität gesetzt. Leider scheint dieses Verdikt in den Teppichetagen auf Ignoranz zu stossen. Von Läuterung und Mässigung ist in den meisten grossen Schweizer Unternehmen jedenfalls nichts zu spüren, die Lohnscheren haben sich 2012 weiter geöffnet.

Die heute veröffentlichte Managerlohnstudie von Travail.Suisse entlarvt die scheinheiligen Sonntagsreden über das Ende der Lohnexzesse als heisse Luft. Die in den neoliberalen Casino-Jahren explodierten Löhne werden nicht etwa zurückgefahren. Im Gegenteil: In 14 von 27 untersuchten Unternehmen hat sich die Schere zwischen Höchst- und Tiefstlöhnen 2012 weiter geöffnet. Besonders stossend: Auch Unternehmen, die sich mit Lohnexzessen lange zurückhaltend zeigten, wollen nun in die Liga von UBS, Novartis und Konsorten vorstossen. Schwer verständlich ist auch die Lohnpolitik der staatsnahen Unternehmen Ruag und Swisscom: Grosszügige Lohnerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich für das Topmanagement, während die tiefsten Löhne bei beschämenden 45'000 Franken verharren.

Dabei wären Lohnerhöhungen für Konzernleitungen an sich kein Problem – wenn gleichzeitig auch die tiefen Löhne entsprechend angehoben würden. Genau hier setzt die 1:12-Initiative der SP an: Es geht nicht um starre Obergrenzen, sondern um eine gerechte und vernünftige Verteilung. Alle Mitarbeitenden sollen in Form besserer Löhne am Unternehmenserfolg beteiligt werden, nicht nur eine geschlossene Manager-Kaste, welche die Bodenhaftung längst verloren hat. Wenn wie in der Banken- und Pharmabranche die Konzernleitung im Schnitt hundert Mal mehr verdient als was sie als Tiefstlohn auszahlt, dann führt das die angebliche Selbstregulierung ad absurdum. Es braucht griffige Regeln, um das Vertrauen des Volkes in die Wirtschaft zurückzugewinnen, die 1:12-Initiative bietet im November die Gelegenheit zur Kurskorrektur. 

24. Jun 2013