Die SP Frauen* kritisieren die sexistische Argumentation zum stark verkürzten Strafmass im Vergewaltigungsfall am Basler Appellationsgericht scharf und solidarisieren sich mit den Betroffenen. Der Fall unterstreicht die Dringlichkeit einer Neudefinition von Vergewaltigung nach dem Grundsatz «Nur Ja heisst Ja». Denn bei Vergewaltigungen und sexualisierter Gewalt allgemein trägt ein Opfer keine Mitverantwortung. Darum muss man weg kommen vor der Opferbeschuldigung – in den Gerichten, im Gesetz und in der Gesellschaft.

«Das Urteil macht mich traurig und wütend, aber es überrascht mich leider nicht», sagt Tamara Funiciello, Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen*. «Die Argumentation des Gerichts widerspiegelt die Mängel unseres Sexualstrafrechts und die Vergewaltigungsmythen, die tief in unseren Strafinstitutionen und der Gesellschaft verankert sind.» Das Gericht hatte der betroffenen Person unterstellt, den Übergriff provoziert zu haben und darum eine Mitverantwortung zu tragen.

Diese Argumentation ist verheerend: sie spricht Frauen die sexuelle Selbstbestimmung komplett ab und impliziert, dass Männer triebgesteuert sind und sich nicht im Griff haben. Beides sind schädliche Vergewaltigungsmythen und normalisieren sexualisierte Gewalt. «Diese Mythen müssen wir aktiv bekämpfen», sagt Tamara Funiciello. «Jede sexuelle Handlung braucht die Zustimmung aller Beteiligten, unabhängig davon, ob sich die involvierten Personen bereits kennen, sich am Abend schon geküsst haben, in einer Beziehung oder verheiratet sind. Zustimmung kann auch jederzeit wieder zurückgezogen werden. Nichts legitimiert einen Übergriff.»

Die SP Frauen* teilen die Empörung der feministischen Bewegung sowie der Betroffenen sexualisierter Gewalt über das Urteil und fordern mit Nachdruck die Verankerung des Grundsatzes «Nur Ja heisst Ja» im Sexualstrafrecht. «Damit setzen wir als Gesellschaft ein klares Zeichen, dass wir die sexuelle Selbstbestimmung respektieren und schützen wollen», erklärt Martine Docourt, Co-Präsidentin der SP Frauen*. «Gleichzeitig bekämpfen wir Victim-Blaming in den Gerichten und im Strafprozess allgemein.»

Opfer müssen sich trauen können, gegen Täter vorzugehen. Die Neudefinition von Vergewaltigung nach dem Grundsatz «Nur ja heisst Ja» ist ein hierfür wichtiger erster Schritt. Es braucht aber auch ein Umdenken in der Gesellschaft und Begleitmassnahmen zur Sexualstrafrechtsrevision. Unter anderem müssen im Strafprozess tätige Personen zu sexualisierter Gewalt geschult und Wissensvermittlung zum Konsens im Sexualkundeunterricht priorisiert werden.

09. Aug 2021