Die direkte Demokratie hat am letzten Sonntag mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative den aussenpolitischen Vogel abgeschossen. Denn es ging um nicht weniger als um die Verhandlungsfähigkeit und die Verlässlichkeit der Schweiz im internationalen Kontext. Kann man mit der Schweiz langfristige Verträge abschliessen oder wird sie den Vertrag schon nach wenigen Jahren in Frage stellen? Das fragt sich inzwischen die ganze Weltgemeinschaft, sicher aber die europäische Gemeinschaft.

Die aussenpolitischen Angelegenheiten unseres Landes werden vom Bundesrat wahrgenommen. Das Parlament segnet die aussenpolitischen Mandate jeweils ab, ergänzt sie oder stellt sich gegen einzelne Punkte, die durch unsere Exekutive danach verhandelt werden sollen. Dann wird verhandelt und das bestmögliche Resultat angestrebt. Das Resultat muss schliesslich die Mehrheit des Parlamentes hinter sich bringen und wird je nach Staatsvertragscharakter dem obligatorischen oder fakultativen Referendum unterstellt. Am letzten Sonntag haben wir diesen guten Prozess zerstört. Im begrenzten Bereich der Zuwanderung hat die Mehrheit mit der Annahme des Verfassungsartikels 121 a den Bundesrat vorgeführt. Er kann aussenpolitisch nicht mehr verhandeln, sondern er muss vollziehen. Der aussenpolitische Vogel fliegt nicht mehr, er ist abgeschossen.

Können wir eine wortbrüchige und verhandlungsunfähige Schweiz gestalten?

Im Jahre 1999 hat die Schweiz die ersten Staatsverträge mit der Europäischen Union betreffend der Personenfreizügigkeit unterzeichnet. Sie fanden Unterstützung im Parlament und in der Volksabstimmung. Fünfzehn Jahre später ist alles wieder anders. Innenpolitisch ist das möglich, doch wer im internationalen Kontext so politisiert, wird als wortbrüchig wahrgenommen. Die Verhandlungsfähigkeit unseres Bundesrates tendiert mit diesem neuen Verfassungsartikel gegen Null. Heute ist es die Einschränkung der aussenpolitischen Kompetenz bei der Migrationspolitik, was wird es morgen sein?

Verhandeln kann man so nicht mehr

Wenn die StimmbürgerInnen der Schweiz zuerst Staatsverträge mehrmals gutheissen und dann das unverrückbare Nachverhandlungsmandat in die Verfassung schreiben, dann ist eine Verhandlung unmöglich. Oder wie sollte die Schweiz z.B. die Mitgliedschaft in der OECD bewerkstelligen, wenn die Mitgliedschaftsbedingungen in unserer Verfassung stünden? Es geht nicht. Was die knappe Mehrheit des Stimmvolks hier in die Verfassung geschrieben hat – die Einschränkung der aussenpolitischen Verhandlungskompetenz des Bundesrates – führt in eine Sackgasse, was unserem Land nichts bringt. Ganz zu schweigen davon, was wir für eine Verfassung bekämen, wenn diese sektorielle Einschränkung der aussenpolitischen Kompetenz Schule macht.

Das zu verhandelnde Abkommen wird auch die Verfassungsbestimmung erneut klären müssen

Der Bundesart hat einen klaren Auftrag. Bei diesem Auftrag ist im Bereich der „Migrationspolitik“ seine Kompetenz eingeschränkt worden. Es gibt daher nicht mehr viel zu verhandeln. Ein Abschluss eines neuen Abkommens mit der EU ohne Verletzung von Artikel 121 a ist nicht mehr möglich. Da kann und wird die EU nicht mitmachen. Aber natürlich darf man dem Volk auch erklären, dass eine solche Verfassungsbestimmung die Verhandlungsfähigkeit unseres Landes ausser Kraft setzte und natürlich darf man dann nach der (erfolglosen) Verhandlung erkennen, dass diese Nachverhandlungspflicht ohne Verhandlungsspielraum einen verfassungsrechtlichen Fehler darstellt. Und darauf hinarbeiten, dass das Stimmvolk diese Fragen dereinst nochmals klären kann. Denn eine verhandlungsunfähige Exekutive ist keine Errungenschaft – egal in welchem aussenpolitischen Sachbereich.

13. Feb 2014