Zwei Drittel der Metall- und Energierohstoffe stammen aus Entwicklungsländern. Trotz dieses enormen Reichtums leben über 300 Millionen Menschen in diesen Ländern in bitterer Armut mit weniger als 2 Dollar pro Tag. Statt dass sich ihre Lebensbedingungen dank dem Rohstoffreichtum ihres Landes verbessern würden, nehmen Konflikte und Korruption zu. Die Bevölkerung verbleibt in Armut. Nach Angaben der EvB schickte die Schweiz in den Jahren 2011 bis 2013 1,7 Milliarden Dollar Entwicklungsgelder nach Afrika, um die Not zu lindern. Im gleichen Zeitraum zahlten Schweizer Firmen 55 Milliarden Dollar an die 10 wichtigsten äquatorial-afrikanischen Erdölländer für Öl. Dieses Geld ist nie bei der Bevölkerung angekommen.
Die Rohstoffzahlungen an die Regierungen versickern irgendwo in den Taschen von Politikern, hohen Beamten und ihren Familien. Ohne Transparenz aber fehlt der Bevölkerung die Möglichkeit, von ihren Regierungen Rechenschaft über die Verteilung der Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft zu verlangen. Zudem werden die fetten Gewinne im Rohstoffgeschäft in den Industriestaaten erzielt, wo durch komplizierte Firmenstrukturen die Steuern optimiert werden.
Endlich Transparenz!
In einer Motion forderte Hilde Fässler diese Transparenz bei den Schweizer Firmen. Auf den Tag genau zwei Jahre nach der Einreichung ihres Vorstosses, wurde er in der vergangenen Septembersession behandelt. Ein Tag später, und der Vorstoss wäre von der Liste gestrichen worden. Für die Schweiz ist das Thema von besonderer Bedeutung: 20 bis 25 Prozent aller Rohstoffgeschäfte laufen über die Schweiz. Die Schweiz ist der weltweit führende Rohstoffhandelsplatz. Wenn jemand Transparenzregeln aufstellen muss und kann, dann die Schweiz.
Der Bundesrat hat auch bereits reagiert und im Frühling 2013 einen Rohstoffbericht und im Juni 2014 einen Bericht zur Transparenz im Rohstoffsektor vorgelegt. In beiden betrachtet er die Branche kritisch und kommt zum Schluss, dass das Rohstoffgeschäft anfällig ist auf Korruption, Geldwäscherei, Steuerflucht, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Andere Länder sind bereits aktiv geworden, um die Transparenz der Zahlungen im Rohstoffgeschäft an Regierungen zu erhöhen: Die Rohstoffländer selbst haben sich in einer Initiative für mehr Transparenz eingesetzt, 44 Länder sind dabei. Aber auch immer mehr Sitzstaaten von Rohstofffirmen verlangen von ihren ansässigen Firmen Transparenz, so etwa die USA, die EU, Norwegen oder Hongkong.
Zahnloser Bundesratsvorschlag
Der Bundesrat schlägt nun vor, in der laufenden Revision des Aktienrechts ebenfalls eine Transparenzregel einzubauen, aber nur für den Bereich Rohstoffabbau. Das ist geradezu grotesk: Die Schweiz ist weltweit der bedeutendste Handelsplatz und wir machen Regeln für den Abbau! Der Bundesrat behält sich allerdings vor, per Verordnung den Handel dann zu regeln, wenn andere Länder das auch tun werden, sprich, wenn die Schweiz einmal mehr so stark unter internationalen Druck gerät, dass sie nicht mehr anders kann. Der Nationalrat hätte es in der Hand gehabt, mit einer Zustimmung zur Motion dafür zu sorgen, dass die Schweiz ihre Verantwortung wahrnimmt und gute Transparenzstandards im Rohstoffabbau und -handel entwickelt. Aber einmal mehr hat die ewige Angstmacherei, die Firmen könnten der Schweiz den Rücken kehren, bei der Mehrheit der Bürgerlichen voll verfangen. Mit 83 zu 106 wurde die Motion abgelehnt.
Das Rohstoffgeschäft – eine diskrete Branche
Die Rohstofffirmen halten sich gerne diskret im Hintergrund. Für eine Branche, die über 600 Firmen, vor allem im Raum Zug und Genf, umfasst, ist das eher ungewöhnlich. Glencore mit Sitz in Baar (ZG) ist eine der grössten, vor allem seit sie 2013 den Rohstoffabbauer Xstrata übernommen hat. Sie ist eine der wenigen Schweizer Firmen, die auch im Abbau tätig ist. Seit 2011 ist Glencore börsenkotiert. In den ersten zwei Jahren hat sie bereits einige Milliarden Dollar Gewinne erzielt, der Umsatz belief sich 2012 auf 215 Milliarden Dollar. Steuern hat sie gemäss Angaben ihres Bosses Ivan Glasenberg hier in der Schweiz nicht bezahlt. Komplizierte Firmenstrukturen ermöglichen diese Steuerumgehung – ein Skandal.
Glencore Kupfermine von Antapaccaya/Peru
Anfang Oktober besuchte ich mit einer Delegation der Aussenpolitischen Kommission die Kupferminen Tintaya und Antapaccaya in Espinar/Peru. Hier kam es vor zwei Jahren zu Ausschreitungen mit 3 Toten und über 100 Verletzten. Die Bevölkerung demonstrierte gegen die Verschmutzung von Böden und Flüssen und bekam im Januar 2014 Recht: Das Unternehmen wurde zu einer Strafzahlung von 84‘000 US-Dollar verurteilt, weil die Kupferbelastung stellenweise auf den Weiden der Bauern 1‘800 mal höher war als normal.
Wir besuchten die Bürgermeisterin von Espinar und trafen uns mit drei NGO-Vertretern: dem ehemaligen Bürgermeister, einem Umweltingenieur und einer Anwohnerin. Sie beschrieben ihren Kampf für ihre Existenz und den Schutz ihrer Gesundheit und die ihrer Tiere. Sie fordern ein seriöses Umweltmonitoring, das von einem unabhängigen Labor gemacht wird. Den Resultaten der schönen Glencore/Xstrata-Berichte trauen sie schon lange nicht mehr. Die Anwohnerin schilderte, wie sie immer wieder Besuch von der Polizei bekam, nur weil sie sich über Staub, Lärm und verendete Tiere beschwerte. Sie wurde schikaniert und eingeschüchtert. Sie hat ihr Land aber nicht verkauft. Der ehemalige Bürgermeister verlangte, dass sich die Firma aus den Geschäften der Gemeinde heraushalte. Sie würden die Gemeinschaft entzweien und Beamte und Polizei korrumpieren.
MultiWatch berichtet auf ihrer Homepage, wie unzimperlich Glencore/Xstrata im Dezember 2013 eingegriffen hat, um die gewerkschaftliche Organisation ihrer technischen Arbeiter zu verhindern. Wer die neu gegründete Gewerkschaft nicht selbst wieder verliess, dem wurde gekündigt. Nur wenige haben dem Druck Stand gehalten, denn andere Arbeitsplätze gibt es kaum. Zudem beantragte Glencore umgehend, die Registrierung der Gewerkschaft zu löschen. Dieser Entscheid ist noch hängig.
Auf der Fahrt über die staubigen Strassen zur Mine wird einem bewusst, was uns der ehemalige Bürgermeister erklärt hat: Das riesige Gebiet um Espinar ist von der Regierung zum Abbaugebiet bestimmt worden. Nach erfolgreichen Probebohrungen kann eine Firma ein Projekt für die Konzession und Eröffnung einer Mine einreichen. Das ganze Land ist von Bauern bewohnt. Nicht alle wollen ihr Land verkaufen, das geht nur mit Druck und dieser wird rücksichtslos ausgeübt. Sogar ihre Toten müssen zuweilen weichen, wenn ein Friedhof auf dem Minenareal liegt.
Seitenwechsel: Bei Glencore treffen wir auf kommunikationsgeschulte Männer, die uns einen Vortrag halten und auf unsere Fragen eingehen. Von den Vorwürfen der NGOs bleibt nichts mehr übrig: Die Firma gibt den Leuten Arbeit, beim Abbau wird die neueste Technik eingesetzt, ein Umweltmonitoring wird gemacht und man ist auch bereit für vergleichende, unabhängige Studien, es gibt keine Vermischung von ihren privaten Sicherheitskräften und der Polizei und es werden 3 Prozent des Gewinns der Gemeinde überwiesen für ein Schulzentrum.
Alles paletti? Und was ist mit der Strafzahlung vom letzten Winter für die Umweltsünden? Was mit den Gewerkschaftern? Dazu gibt es keinen Kommentar, das gehe auf Kosten der früheren Firma. Die Besichtigung der vor zwei Jahren neu eröffneten Grube Antapaccaya imponiert. Auf gedeckten Förderbändern wird das Material über fast 10 Kilometer in die hochmoderne Aufbereitungsanlage befördert, das Wasser wird in einem internen Kreislauf genutzt. Rauchende Schlote wie in den Glencore-Minen in Sambia sind keine zu sehen.
Alles state of the art – oder einfach inszeniert? Es lässt sich nicht eruieren. Durch die Gitter an der Geländegrenze fällt der Blick auf die verbliebenen Bauern. Sie zählen nichts beim grossen Geschäft mit den Rohstoffen. Wir aber haben den Auftrag, dafür zu sorgen, dass Rohstoffe von Schweizer Firmen gerecht, sozial und umweltverträglich abgebaut und gehandelt werden. Wir müssen Druck machen, denn die Bauern vor Ort sind hilflos. Wir müssen in der Schweiz für Transparenz in den Zahlungsströmen und Steuerverschiebungen sorgen und auf gesetzliche Rechenschaftsberichte zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards sowie der Menschenrechte pochen.