Afghanistan-Aktionsplan der SP Migrant:innen Schweiz
A. 10‘000 Flüchtlinge aufnehmen und Familienzusammenführungen erleichtern
1. Es ist unsere Aufgabe, jetzt unverzüglich sichere Fluchtwege für besonders vulnerable Gruppen zu schaffen und Familienzusammenführungen zu erleichtern. Der Bundesrat darf die Anfrage des UNO-Hochkommissars für Flüchtlinge nicht weiterhin ignorieren, mehr Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Die Schweiz kann und muss zusätzlich 10‘000 gefährdete Menschen aus Afghanistan aufnehmen. Auch in den Nachbarstaaten von Afghanistan sind diese Menschen nicht sicher und auf Schutz angewiesen.
2. Die Schweiz muss Hand bieten bei der Familienzusammenführung und humanitären Visas. Bis Anfang Oktober trafen in Bern 7800 Gesuche ein. Es ist beschämend zu vernehmen, dass davon bisher nur 3 positiv beantwortet wurden. Das SEM darf sich nicht länger hinter bürokratischen Argumenten verstecken und muss seinen Ermessensspielraum namentlich zugunsten besonders vulnerabler Gruppen nutzen.
B. Die humanitäre Hilfe für die afghanische Bevölkerung ausbauen
3. Afghanistan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Eine langjährige Dürre verschärft das Risiko einer grossen Hungerkrise. Mit dem Sturz der zutiefst korrupten Ghani-Regierung stellten viele internationale Hilfswerke ihre Arbeit ein. Dies verschärft die Lage zusätzlich. Die afghanische Bevölkerung ist und bleibt auf grosszügige internationale humanitäre Hilfe angewiesen. Diese muss bedingungslos gewährt werden. Einziges Kriterium darf sein, ob sie gerecht verteilt wird und tatsächlich bei den Bedürftigen ankommt.
C. Weggewiesene aus Afghanistan können und dürfen nicht weggewiesen werden
Nach der Machtergreifung der Taliban ist eine Rückkehr nach Afghanistan weniger möglich denn je. Deshalb müssen alle Wegweisungen aus der Schweiz jetzt aufgehoben werden:
4. Alle Menschen aus Afghanistan brauchen einen sicheren Aufenthalt. Es braucht eine gesetzliche Grundlage, damit Wegweisungen für Personen aus einem Land, in dem sich die Lage stark verschlechtert, integral aufgehoben werden können.
5. Bis es soweit ist, rufen wir alle Weggewiesenen mit afghanischer Herkunft auf, ein neues Asylgesuch einzureichen. Das SEM muss auf diese Gesuche rasch eintreten, Schweiz Schutz gewähren.
6. Das SEM muss die Kantone anweisen, Weggewiesene mit afghanischer Herkunft nicht länger wegen „illegalem Aufenthalt“ zu büssen. Es ist absurd, Weggewiesene zu büssen, die gar keine Möglichkeit haben, in ihr Herkunftsland zurückzukehren.
7. Betroffenen darf nicht länger die Sozialhilfe gekürzt werden. Wer Not- oder Sozialhilfe erhält, darf deswegen nicht der Aufenthaltsstatus verschlechtert werden.
8. Die soziale Lage von Weggewiesenen und weiteren Sans-Papiers muss auch angesichts der Covid-19-Krise dringend verbessert werden. Nur wer einen legalen Zugang zur sozialen Sicherung und zur Gesundheitsversorgung hat, kann die Covid-Vorschriften und -Empfehlungen einhalten. Das ist im Interesse von uns allen.
D. Das Aufenthaltsrecht mit Blick auf eine erfolgreiche Integration stärken
Wer in der Schweiz lebt, kann langfristig unmöglich nach Afghanistan zurückkehren. Deshalb muss deren Aufenthaltsrecht jetzt dringend verbessert werden. Andernfalls wird die Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft stark erschwert. Das wäre mit hohen Folgekosten verbunden und liegt im Interesse von niemandem.
9. Die Kantone müssen Härtefallgesuche für den Statuswechsel von der vorläufigen Aufnahme (F-Ausweis) zu einem Jahresaufenthalt (B-Ausweis) für Personen aus Afghanistan grosszügig bewilligen, denn die Grundlage für die „vorläufige Aufnahme“ – eine Rückkehr nach Afghanistan – ist auf lange Frist nicht vorhanden.
10. Alle und nicht nur einzelne Kantone sollen die Tazkira als ausreichendes ReisedokuBericht des SEM über die Beschaffung der Tazkira aus dem Ausland von 2018 muss angesichts der neuesten Entwicklungen stark überarbeitet und aktualisiert werden.
11. Hat das SEM bereits im Rahmen des Asylverfahrens die Herkunft aus Afghanistan festgestellt, so sollen die Kantone bei der Beurteilung von Gesuchen für den Statuswechsel von F auf B darauf verzichten, erneut Reisedokumente wie einen Reisepass oder eine Tazkira einzufordern.
12. Wer schriftenlos ist, soll gestützt auf Artikel 59 AIG vom SEM Reisedokumente erhalten. Die Niederlassungsbewilligung C darf nicht länger Voraussetzung sein, um Schriftenlosen Reisedokumente auszustellen. Vielmehr muss diese Möglichkeit allen offenstehen, die in ihrem Herkunftsstaat keine Möglichkeit haben, sich Reisedokumente zu beschaffen.
E. Die Niederlassung und Einbürgerung erleichtern
13. Wer jetzt F- oder B-Status hat und Sozialhilfe bezieht, darf deswegen keinen Nachteil Ein vorübergehender Sozialhilfebezug bildet in vielen Fällen eine zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration, die im Interesse aller ist.
F. Die Gesundheit verbessern und das soziale Netz enger knüpfen
14. Es braucht dringend mehr niederschwellige psychosoziale Beratungsangebote, auch in der Muttersprache. Die Nachrichten aus Afghanistan sind für viele nur sehr schwer zu ertragen. Das kann langfristig schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen haben. Dennoch klafft in unserem Gesundheitssystem hier eine grosse Lücke.
15. Soziale Vernetzung hilft, die Isolation zu durchbrechen, die Selbstbestimmung . Wir rufen alle Sektionen der SP Migrant:innen und weitere migrantische Organisationen auf, in ihrer Region Vernetgegenseitig helfen und unterstützen und miteinander auch politisch Erfolg haben.