Agroscope, die Forschungsanstalt des Bundes, hat letzte Woche ihre Position zu Pestizid-Einsätzen gekehrt. Plötzlich werden die Trinkwasserinitiative und die Pestizidinitiative als negativ dargestellt, nachdem Agroscope im Sommer 2019 den beiden Initiativen noch positive Auswirkungen bescheinigt hatte. Damit lässt sich Agroscope von der Agrarindustrie instrumentalisieren.

Die Sorge um unsere Gesundheit und um das Trinkwasser ist gross. In Bezug auf den Einsatz von Pestiziden ist es ist an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Die Belastung der Bäche, das dramatische Insektensterben und die zunehmende Antibiotikaresistenz versetzen die Bevölkerung in Alarmbereitschaft.

Die Landwirtschaft ist in der Pflicht, zu handeln und dennoch tut sich entschieden zu wenig, die Kehrtwende lässt auf sich warten. Die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative sind deshalb enorm wichtig. Die Agrarindustrie und der Bauernverband sind natürlich dezidiert dagegen. Sie brachten auch den lösungsorientierten, indirekten Gegenvorschlag zum Scheitern. Ausserdem soll nach dem Willen des Bauernverbands über die zwei Initiativen rasch abgestimmt werden, damit sie auf die anstehende Agrarpolitik 22+ keinen Druck ausüben. Damit hoffen die Gegner, dass alles beim Alten bleibt. Der Bauernverband verweist dafür auf die Aktionspläne zum Pflanzenschutz und zur Biodiversität, die aber ohne griffige Massnahmen auskommen.

Ein immer grösserer Teil der Bevölkerung goutiert es aber nicht mehr, dass viele Milliarden Steuergelder jährlich in ein System fliessen, das unsere Lebensgrundlage gefährdet. Die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative haben deshalb gute Chancen, von der Bevölkerung angenommen zu werden. Die starke Agrarindustrie wird deshalb nervös. Jetzt begibt sich sogar die Schweizer Agrarforschung offensichtlich in ihren Dienst.

Hintergrund ist folgender: Im Juni 2019 hatte Agroscope eine Studie veröffentlicht, die anhand von 18 Szenarien mögliche Auswirkungen der Trinkwasserinitiative auf die Schweizer Landwirtschaft modelliert. Bei einer Annahme würde der Pestizideinsatz in der Schweiz um zwei Drittel verringert und die Wasser- und Umweltqualität entsprechend verbessert. Sogar für das bäuerliche Einkommen habe die Initiative eine positive Wirkung, meinten die Wissenschaftlerinnen und Spezialisten damals.

Diesen Juli wurde aber eine Ergänzung zur Studie veröffentlicht. Die neuen Annahmen sind teilweise haarsträubend. Zusätzliche Lebensmittelimporte würden im Ausland ausschliesslich naturnahe Flächen beanspruchen, die Abholzung würde dadurch gefördert und so die Ökobilanz unter dem Strich verschlechtert. Dies obwohl unsere Bundesverfassung Nachhaltigkeit im grenzüberschreitenden Handel in der Land- und Ernährungswirtschaft als zwingendes Kriterium definiert. Ökologisch negative Auswirkungen sind bei einer korrekten Umsetzung darum ausgeschlossen.  

Das ist nur eine der Absurditäten, die der politischen Instrumentalisierung dienen. Von Beginn weg hatte die Studie eine politische und keine wissenschaftliche Absicht. Dass die Trinkwasserinitiative eine Umlenkung der Forschungsgelder in ökologische Anbaumethoden verlangt, wird zum Beispiel gar nicht berücksichtigt. Dies vielleicht, weil rund 90 Prozent der Schweizer Agrarforschung sich mit pestizidabhängigen Anbautechniken beschäftigt! Dass sich eine Forschungsanstalt von der Agrarindustrie vor den Karren spannen lässt, ist ein NoGo. Eine solche Studie widerspricht dem Auftrag einer öffentlich-rechtlichen Forschungsanstalt, politisch neutral und sachlich korrekt zu informieren.

Die Trinkwasserinitiative bietet eine grosse Chance für eine nachhaltige und zugleich wirtschaftlichere, bäuerliche Landwirtschaft. Weiter wie bisher ist keine Option!

06. Jul 2020