Die WAK (Kommission Wirtschaft und Abgaben) des Nationalrats hat über den Sommer einen Gegenvorschlag zur CVP-Initiative ‚Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe‘ in die Vernehmlassung geschickt. Das CVP-Volksbegehren will die angebliche Diskriminierung verheirateter Paare bei den Steuern und Sozialversicherungen beseitigen. Was die Sozialversicherungen betrifft, hat die Sozialpolitische Arbeitsgruppe der SP 60+ die Fakten angeschaut und stellt fest: Sozialpolitisch gibt es keine „Heiratsstrafe“, eher das Gegenteil ist wahr. Mit der CVP-Initiative droht vielmehr ein Sozialabbau, den wir verhindern müssen.

Es stimmt zwar, dass die Ehepaar-Renten bei der AHV nicht den Betrag von zwei vollen Individualrenten ausmachen, sondern auf einer Höhe von 150 Prozent zweier Maximalrenten – also auf 3510 Franken – plafoniert sind. Sozialpolitisch will die CVP mit ihrer Initiative vor allem dies ändern, hat aber schlicht übersehen, dass die hier angeblich benachteiligten Ehepaare andernorts bei der AHV weit mehr profitieren.

Die Gleichstellung bei den Renten hiesse, allen Paaren zwei Individualrenten ausbezahlen und würde die AHV 2 Milliarden Franken kosten. Gleichstellung von Ehepaaren mit Alleinstehenden hiesse aber auch, die Witwen- und Witwerrenten ganz abschaffen (die 1,4 Milliarden Franken kosten) und - sozialpolitisch besonders einschneidend - den Zuschlag von 20 Prozent für Verwitwete streichen, die nicht auf eine Maximalrente kommen (1,2 Milliarden Franken). Zudem müssten bei voller Gleichstellung künftig die nicht erwerbstätigen Partner wieder AHV-Beiträge bezahlen, die heute vom erwerbstätigen Ehepartner automatisch abgedeckt sind, was eine Mehrbelastung für in der Regel junge Paare von jährlich insgesamt 200 Millionen Franken bedeutete. Die „Heiratsstrafe“ bei der AHV abschaffen hiesse also, den Eheleuten auf der einen Seite 2 Milliarden geben und auf der andern Seite 2,8 Milliarden wegnehmen.

Das ist aus Sicht der SP 60+ ein sozialpolitischer Unsinn, der erst noch neue sozialpolitische Ungerechtigkeit brächte. Mit der heutigen Ehepaarrente kommen über 60 Prozent der Ehepaare auf eine Maximalrente, weil zusammengezählt der schlechter verdienende Partner aufgewertet wird. Von den neuen CVP-Renten würden hingegen in erster Linie die Renten im individuellen Maximalbereich pro­fitieren. Die 13 Prozent tiefster Renten, die schon heute nicht plafoniert sind, weil sie die 150 Prozent Maximal­rente nicht erreichen, erhielten hingegen gar nichts. Für SP 60+ ist klar: Wer mittlere und untere Renten erhöhen will, muss die AHV-Renten gemäss der Initiaitve „AHVplus“ verbessern: Das brächte allen 10 Prozent mehr – beispielsweise für die erwähnten 60 Prozent Ehepaarrenten je 351 Franken mehr pro Monat –, während die CVP-Methode einem Grossteil von ihnen mit AHV-Renten unter 1900 Franken weniger brächte. Der Vorschlag ist nicht durchdacht. Deshalb sollte auch WAK-Gegenvorschlag die Hände davon lassen.

Handlungsbedarf besteht nicht im Bereich Ehepaar-Ungleichbehandlung. Handlungsbedarf besteht, weil die Renten generell zu tief sind. Deshalb ist für SP 60+ klar, dass mit der 11. AHV-Revision respektive mit der „Altersvorsorge 2020“ das Niveau mittlerer und tiefer Renten erhöht werden muss. Das heisst in erster Linie Erhöhungen bei der AHV und nicht bei der 2. Säule.

28. Aug 2014