Der nationale Finanzausgleich und die wachsenden Aufgaben machten Sparprogramme in vielen Kantonen nötig, war in den letzten Wochen immer wieder zu hören – und im «Tages-Anzeiger» zu lesen. Eine abenteuerliche Behauptung, die sich mit Fakten kaum untermauern lässt. Vielmehr ist die Schweiz von einer eigentlichen Spar­hysterie ergriffen.

Wie ist es dazu gekommen? Nach Jahren des Steuersenkens für Besserverdienende und Unternehmen bekunden die Kantone zunehmend Mühe, ihre Budgets zu decken. Das Steuerpotential wird nicht ausgeschöpft, wie ein Blick nach Zug oder Schwyz zeigt. Statt ihre Dumpingstrategie zu ändern, gehen die Kantone nervös dazu über, Leistungen abzubauen: Schulfächer werden gestrichen (Luzern), Spitäler geschlossen (Bern), Buslinien abgeschafft (Nidwalden). Die Sparprogramme seien unausweichlich, behaupten inzwischen 20 Kantone. Eine Fehleinschätzung.  

Die erste finanzpolitische Lehre müsste vielmehr lauten: Wer bei gleichen Leistungen weniger Steuern zahlen will, sollte dafür sorgen, dass endlich auch die oberen Zehntausend angemessen zur Kasse gebeten werden. Die Steuergeschenke, die sie in den vergangenen Jahren erhalten haben, müssen heute alle anderen auf dreierlei Art kompensieren – über Steuerfusserhöhungen, über wachsende Gebühren und über Leistungsabbau. 

Es gibt aber auch eine zweite ökonomische Lehre: Trotz Steuerwettbewerb und geringeren Einnahmen verfügen die Kantone noch über beträchtliche Vermögen. 2011 stand rund 285 Milliarden an Schulden ein Vermögen von 324 Milliarden gegenüber. Sämtliche Kantone erfüllten die international gültigen Maastricht-Kriterien locker. Auch ist die Bruttostaatsschuld der Schweiz seit der Jahrtausendwende gesunken. Mit anderen Worten: Die aktuelle Sparhysterie widerspricht den finanzpolitischen Fakten. 

Die herrschende Finanzpolitik begünstigt Abzocker und Konzerne und bestraft die  Bevölkerung. Der Abbau der Leistungen ist oft gar nicht unbedingt unnötig. Widerstand gegen die bürgerliche Misswirtschaft ist angezeigt.
 

Text erschienen im Tages-Anzeiger vom 23. Juli 2014

06. Aug 2014