Das Nein zum CO2-Gesetz war ein Schock für alle progressiven Kräfte. Das Gesetz ist gescheitert, weil es noch zu stark einer wirtschaftsliberalen Logik folgte – zu technokratisch, zu viel blindes Marktvertrauen, dafür zu wenig Gerechtigkeit und zu wenig Hoffnung.
Der Klimawandel bleibt die grösste Herausforderung unserer Zeit. Deshalb braucht es jetzt schnell eine Klimapolitik, die breit akzeptiert wird. In den vergangenen Jahren setzte die Schweizer Klimapolitik zu stark auf Anreizsysteme, Lenkungsabgaben und Preissignale anstatt auf öffentliche Investitionen und gesetzliche Vorschriften.
Die Botschaft, dass sich dank finanziellen Anreizen ökologisches Verhalten lohnt, kommt nicht an. Hingegen haben offensichtlich viele Menschen das Gefühl, dass man sie dafür bestraft, dass sie die finanziellen Mittel nicht haben, um einen Tesla zu kaufen.
Auf den Boden der Realität
Natürlich kann man mit ausführlichen Modellrechnungen aufzeigen, wie positiv sich die private Investition in ein Elektroauto oder eine neue Heizung langfristig auswirkt, nur: Wo soll der durchschnittliche Haushalt die 60'000 Franken für den Kauf des Tesla hernehmen? Das Problem ist, dass das Verursacherprinzip oftmals jene schont, die sich den bisherigen verschwenderischen Lebens- und Produktionsstil weiterhin leisten können.
Während die aktuelle Klimapolitik gerade für die Autoindustrie satte Gewinne verspricht und sich grosse Konzerne und Leute mit viel Geld von den Lasten freikaufen können, sehen viele Menschen nur steigende Preise und neue Abgaben.
Wer die Klimapolitik deblockieren will, muss sie auf den Boden der Realität zurückholen. Dafür müssen wir einen Klimaschutz machen, der überall – in der Stadt und auf dem Land gleich – das Leben der Menschen verbessert. Eine solche Politik kann man nicht dem Wettbewerb überlassen, sondern sie muss zur öffentlichen Aufgabe, zum Service public werden.
Das kann die Schweiz. Sie hat es in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen: beim Bau des Gotthardtunnels und später der NEAT, bei der Schaffung der SBB oder bei der Einführung der AHV. Natürlich sind alle diese Projekte genau wie der Klimaschutz mit Kosten verbunden. Mit sehr viel Geld sogar. Aber diese Investitionen in die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur haben sich volkswirtschaftlich immer gelohnt.
Ganz abgesehen davon können wir uns Nichtstun gar nicht leisten. Nichtstun kostet uns nämlich die Freiheit unserer Kinder und Grosskinder, auf diesem Planeten in Würde leben zu können.
Service public in der Klimapolitik bedeutet: öffentliche Investitionen, Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und mehr Gerechtigkeit in der Lastenverteilung. Dies will die SP mit ihrem Vorschlag für einen Investitionsfonds für Klimaschutz, Arbeit und Wohlstand für alle erreichen. In diesem Fonds sollen jährlich 0,5 bis 1 Prozent des BIP für die notwendigen Massnahmen zur Verfügung gestellt werden.
Konkret soll der Bund in drei Bereichen deutlich mehr investieren: Dekarbonisierung von Verkehr, Immobilien und Industrie; Ausbau der einheimischen Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, mit den Schwerpunkten Versorgungssicherheit im Winter und Energieeffizienz; Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung.
Investitionsfonds für Klimaschutz
Die Idee kehrt die bisherige Klimapolitik um: Anstatt auf den Effekt komplizierter Anreizsysteme zu warten, schaffen wir sofort ein Angebot für die Bevölkerung. Wir bauen den öffentlichen Verkehr und die Veloinfrastruktur in der Stadt und auf dem Land rasch aus. Wir stellen direkt Beiträge und Kredite für den Heizungsersatz, energetische Sanierungen und die Modernisierung des Technologie- und Maschinenparks in den Betrieben zur Verfügung. Wir sorgen dafür, dass der nötige Strom aus einheimischer, erneuerbarer Energie kommen wird.
Und wir investieren sofort in die Aus- und Weiterbildung und die Umschulung aller Menschen, deren Berufe durch den Strukturwandel verschwinden werden. Letzteres ist zentral: Der Investitionsschub wird ein enormes Auftragsvolumen für KMU und Gewerbe in allen Regionen unseres Landes auslösen. Aber ohne die ausgebildeten Fachkräfte wird das gar nicht zu bewältigen sein.
Es ist klar, dass die Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft auf eine klimaverträgliche Produktions- und Lebensweise von uns allen Anstrengungen verlangen wird. Deshalb muss die neue Klimapolitik mehr sein als bloss eine Sammlung technischer Lösungen. Sie muss ein gemeinsames Projekt für eine lebenswerte Zukunft sein – von allen, für alle.
Wer auf der Seite der Freiheit unserer Kinder und Grosskinder steht, muss jetzt echten Klimaschutz wollen, jenseits ideologischer Barrieren. Dafür müssen wir nicht weniger als die Wirtschafts-, die Energie- und die Umweltpolitik neu denken und jetzt handeln.
Dieser Text ist am 20. Dezember 2021 als Gastbeitrag in der NZZ erschienen. Nadine Masshardt ist Nationalrätin (BE), Mitglied der UREK und Vizepräsidentin der SP-Fraktion; Cédric Wermuth ist Nationalrat (AG), Mitglied der WAK und Co-Präsident der SP Schweiz