Der Bundesrat hat am 29. August die Botschaft zur Transparenz-Initiative veröffentlicht und dabei sein Nein bekräftigt. Er will auch keinen Gegenvorschlag. Sprich: Der Bundesrat sieht absolut keinen Handlungsbedarf bei der aktuellen, intransparenten Politikfinanzierung in der Schweiz. Diese Haltung ist nicht nur erstaunlich, sondern vor allem befremdend.

Denn der Bundesrat spricht sich damit nicht nur dagegen aus, dass Geldflüsse und damit potenzielle Abhängigkeiten in der Politik offengelegt werden. Er politisiert auch am Volk vorbei: Offensichtlich lassen die im Frühling in den Kantonen Schwyz und Freiburg gewonnenen kantonalen Transparenz-Abstimmungen den Bundesrat kalt. Ebenso stellt sich der Bundesrat mit seiner Verweigerungshaltung gegen sämtliche Umfragen der letzten Jahrzehnte. Diese kommen alle zum Schluss, dass sich die Bevölkerung mehr Transparenz wünscht.

Schade, dass sich die Landesregierung hinter durchsichtigen Ausreden versteckt, statt die existierende und breit anerkannte Problematik ernsthaft anzugehen. Denn gerade der Bundesrat – und mit ihm die Politik als Ganzes – sollte ein riesiges Interesse daran haben, dass Abhängigkeiten in der Politik aufgedeckt werden.

Vergessen wir nicht: In keinem Land können Bürgerinnen und Bürger so häufig abstimmen und wählen wie in der Schweiz. Darauf sind wir zu Recht stolz. Doch gerade deshalb ist es wichtig, dass mit offenen Karten gespielt wird. Als Grundlage für ihre Entscheidung hat die Stimmbevölkerung das Recht zu wissen, welche grossen GeldgeberInnen hinter welcher Partei oder einem Komitee stecken. Mehr Transparenz schafft Vertrauen in die Politik und stärkt letztlich die direkte Demokratie.

Anti-Korruptionsbehörde rügt Schweiz

Greco – die Anti-Korruptionsbehörde des Europarates – hat die Schweiz Anfang Monat bezüglich der fehlenden Transparenz in der Parteienfinanzierung erneut gerügt. Konkret kritisierte die Greco, unser Land habe keine nennenswerten Fortschritte erzielt. Das Europarat-Gremium bedauerte, dass die Schweizer Behörden bei ihrer negativen Haltung geblieben sind und keine Gesetzesänderungen für mehr Transparenz bei der Finanzierung von Parteien sowie Wahl- und Abstimmungskampagnen in die Wege geleitet haben.

Weiter erwähnte der Greco-Bericht das Zustandekommen der eidgenössischen Volksinitiative „Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung“ sowie den Erfolg der JUSO-Initiativen in den Kantonen Freiburg und Schwyz. Gemäss Greco zeigen diese aktuellen Entwicklungen, dass es auch im besonderen politischen Kontext der Schweiz möglich ist, Lösungen zu finden. Die Schweiz ist übrigens inzwischen in ganz Europa das einzige Land, das keinerlei Transparenzregelungen bei der Finanzierung von Parteien sowie Wahl- und Abstimmungskampagnen kennt.

Interessant ist zudem, dass sich die Medien für den jüngsten Greco-Bericht kaum noch interessierten – einmal abgesehen von einer ausführlichen sda-Meldung. Auch in dieser Sache bleibt die Enttäuschung über all die durchsichtigen Ausreden der letzten Jahre von Seiten der Behörden und das Verstecken hinter dem angeblich einmaligen und nicht mit Transparenz kompatiblen politischen System unseres Landes. Dies kann nur bedeuten: Unser Land basiert auf Intransparenz, Abhängigkeiten und Vetternwirtschaft. Doch das ist nicht meine Schweiz!

Vermutungen, Gerüchte, Mutmassungen

Wenn Millionen in eine Abstimmungs- oder Wahlkampagne fliessen, um damit Abstimmungs- oder Wahlergebnisse zu beeinflussen, gibt es derzeit leider in der Schweiz keinerlei Pflichten, irgendwelche Informationen zu veröffentlichen. Wir sitzen also im Dunkeln darüber, wer – respektive welche Lobbys, Verbände oder Unternehmen – mit wie viel Geld hinter einer Kampagne steckt. Alles, was es Stand heut gibt, sind Vermutungen, Gerüchte und Mutmassungen. Klar ist nur: Hätte Geld keinen Einfluss auf die Ergebnisse, würden für Wahl- und Abstimmungskampagnen nicht derart hohe Summen ausgegeben. Und klar ist ebenfalls: Politische Argumente brauchen Sichtbarkeit im öffentlichen Raum. Und das kostet viel Geld.

Wir müssen uns allerdings im Klaren sein: Regulierungen alleine sind noch keine Garantie zur Verhinderung von Skandalen. Aber sicher ist: Die Sensibilität steigt. Und Regulierungen können entscheidend dazu beitragen, dass allfällige Skandale überhaupt erst aufgedeckt werden können. Das können wir regelmässig in anderen Ländern beobachten. Man denke zum Beispiel an die CDU-Spendenaffäre in Deutschland oder an das Verfahren gegen Nicolas Sarkozy, den ehemaligen französischen Präsidenten.

Oder aktuell: Dass zwei Organisationen, die sich in England für den Brexit engagierten, gegen das Wahlgesetz verstossen haben sollen. Bei uns dagegen besteht – ausser bei Whistleblowing respektive Investigativ-Recherchen – kaum eine Chance, dass untolerierbare Abhängigkeiten oder Unregelmässigkeiten oder gar Finanz-Skandale entdeckt werden.

Geht es um Transparenz bei Parteifinanzen und Kampagnengeldern, versteckt sich der Bundesrat mit durchsichtigen Ausreden hinter dem politischen System der Schweiz, statt dass er sich einen Ruck geben und mithelfen würde, unsere direkte Demokratie zu stärken und fürs 21. Jahrhundert tauglich zu machen. Dazu braucht es zwingend mehr Transparenz in der Politikfinanzierung. Nun liegt der Ball beim Parlament und dann – endlich und zum ersten Mal – bei der Bevölkerung.

30. Aug 2018