Nissan ist kein Schweizer Auto. Dafür liegt der Hauptsitz von Nissan Europa in der Waadt. Produziert werden die Autos in Sunderland (Grossbritannien). Aber in der Waadt werden die Gewinne versteuert. Nicht in Sunderland.

Der Trick funktioniert so: Nissan in der Waadt kauft von Nissan in Sunderland die fertigen Autos nahe am Herstellungspreis. Damit fällt in Grossbritannien kaum Gewinn an, weshalb dort auch kaum Steuern fällig sind. Der Gewinn fällt nämlich in der Waadt an.

Für Nissan ist das interessant. In der Waadt wird nämlich keine Gewinnsteuer fällig. Der Gewinn kommt aus dem Ausland, und der wird auch in der Waadt nicht besteuert. Dank Holdingprivileg einer Unternehmung, die hauptsächlich im Ausland tätig ist, schuldet Nissan dem Kanton nur eine tiefe Kapitalsteuer. Hingegen bezahlt Nissan auf Bundesebene die normale Gewinnsteuer: Die Bundessteuer unterscheidet nicht zwischen in- und ausländischen Erträgen, liegt dafür aber rekordverdächtig tief bei 8,5 Prozent. Gut für Nissan, aber schlecht für Grossbritannien.

Nissan ist kein Einzelfall. Google tut es, Amazon tut es, Apple tut es weltmeisterlich, und Starbucks tut es auch. Berühmt wurde der Fall von Coca-Cola Helenic, das seinen Hauptsitz von Griechenland in die Schweiz verlegte. Sie alle optimieren die Steuern. Teilweise mit Umwegen über die Schweiz (wie offenbar Starbucks), teilweise über andere verschlungene Wege (wie Apple). Immer aber kräftig. Starbucks etwa soll in Grossbritannien das Kunststück vollbracht haben, in 15 Jahren nie steuerbaren Gewinn zu erwirtschaften.

Hand aufs Herz, auch Sie wären «stärnhagelverruggt», wenn eine grosse Schweizer Uhrengruppe oder ein grosses Pharmaunternehmen zwar unsere Infrastrukturen benutzen und gute Geschäfte machen, aber keinen einzigen Steuerfranken hier bezahlen würde. Genau das ist die Situation der EU: Ihre Mitgliedstaaten sehen, wie die Gewinne verschoben werden, bis bei ihnen kaum oder gar keine Steuern mehr bezahlt werden. Das macht die EU muff. Und die OECD hat die Schweiz schon auf eine graue Liste gesetzt. Der Druck ist stark.

Doch: Auch innerhalb der EU können Gewinne steueroptimiert verschoben werden, etwa via Irland und Benelux-Staaten. Solches Steuer-Hopping von Firmen schadet allen Staaten, weil es in Richtung von doppelter Tiefstbesteuerung geht – und teilweise sogar in Richtung doppelter Nicht-Besteuerung.

Das richtet sich unterdessen auch gegen die Schweiz. Zürich etwa hat laut Medienberichten bei Google interveniert. Denn das Unternehmen bezahlt hier kaum Steuern. Die Leidtragenden sind auch Schweizer KMU, die immer mehr die Last der Unternehmenssteuern alleine schultern müssen.

Eine Lösung ist also auch im Interesse der Schweiz. Die Grossunternehmen spielen die Länder im Wettbewerb um die geringsten Steuern gegeneinander aus. Gegen dieses Steuer-Hopping müssen sich die Länder gemeinsam wehren. Dafür wird sich die EU bewegen müssen. Die Schweiz aber auch.

Erste Innerschweizer Kantone haben bereits die Schmerzgrenze ihrer Tiefststeuerpolitik erreicht. Die einheimische Bevölkerung wird vertrieben, weil sie die explodierenden Mietpreise nicht mehr bezahlen kann. In dieser Lage wird man auch über einen einheitlichen Mindeststeuersatz für Unternehmensgewinne auf Kantonsebene reden können – falls auch die EU die Steuertrickli abstellt. Zug um Zug nennt man diese Verhandlungsstrategie.

Völlig inakzeptabel wäre aber eine Senkung der Unternehmenssteuern auf das Niveau der Innerschweiz. Den milliardenhohen Steuerausfall müsste der Mittelstand bezahlen. Und das zum zweiten Mal: Merzens Unternehmenssteuerreform II hat uns wegen Irreführung schon Milliarden gekostet.

06. Feb 2013