Gewerbeverband und Economiesuisse versuchen mit bestellten Gutachten, die Erbschaftssteuer-Initiative als schädlich für KMU darzustellen. Dabei zeigt ein Blick auf den Initiativtext und auf die realen Fakten: Die Erbschaftssteuer-Initiative führt sicher nicht zum KMU-Sterben. Sie wird im Gegenteil die KMU und den Mittelstand entlasten.

Der emeritierte Professor und Alt-Nationalrat Franz Jäger ist bekannt für aufgeregte Gesten und pointierte Aussagen, die er gerne vor Volksabstimmungen zum Besten gibt. Im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 14. Juni warnt er vor der Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern - für unsere AHV». Die Initiative koste die Schweiz jedes Jahr «rund 12‘000 Arbeitsplätze» und «5% aller Bruttoanlageinvestitionen». beschwört er in einer Studie. Grosses Geschütz? – Grosses Geschwätz!

Der Auftrag für die Studie kam vom «Verein zur Erhaltung der Schweizer KMU» sowie der «Unternehmergruppe Nein zur Bundeserbschaftssteuer», von zwei Organisationen also, die eigens gegründet wurden, um die Initiative zu bekämpfen. Ein Schelm wer denkt, das Resultat der Studie sei schon zum Vornherein klar gewesen. Spätestens nach deren Lektüre muss der Schelm sich aber bestätigt fühlen.

Die Volksinitiative will die AHV mit Einnahmen aus einer Erbschaftsteuer entlasten. Diese Steuer soll 20 Prozent betragen, gilt aber nur für Nachlässe, welche die Höhe von zwei Millionen übersteigen. Jägers Studie enthält viel Information über die Kapital-Struktur von KMU. Es wird aufgezeigt, dass es für viele Betriebe schwierig ist, hohe einmalige Steuerbeträge aufzubringen, weil ein grosser Teil des Vermögens illiquid in Anlagen gebunden ist, die sie nicht verkaufen können, ohne das Unternehmen zu gefährden. Das ist weder neu noch relevant. Denn genau deshalb sieht der Initiativtext eine Ausnahme der Besteuerung für Familienunternehmen vor. Sie verlangt, dass das Parlament für Familienunternehmen «besondere Ermässigungen» bestimmt, und zwar so, «dass ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben».

Mit anderen Worten: Die Auslegung der Initiative, welche Jäger und die Wirtschaftsverbände vornehmen, wäre verfassungswidrig. Die scheinbar exakten Modelle basieren schlicht auf unmöglichen Annahmen. Wie viel die Familienunternehmen zu besteuern haben, wenn sie von einer Generation an die nächste vererbt werden, hängt nämlich einzig und allein davon ab, wie die Ausnahmebestimmung dereinst vom Parlament ausgelegt wird. Jäger geht von einem Freibetrag von maximal 20 Millionen aus. Genau dasselbe machte eine von Economiesuisse bei PricewaterhouseCoopers in Auftrag gegebene Studie. Auch sie geht von einem unrealistischen Freibetrag aus.

Die KMU-feindliche Auslegung der Initiative, welche Jäger und die Wirtschaftsverbände vornehmen, wäre verfassungswidrig.

Die Initianten der Erbschaftssteuer-Initiative sprechen nämlich von einem Freibetrag 50 Millionen - und das Parlament wird wohl noch höher gehen. Um dem Verfassungsauftrag nachzukommen, könnte es zum Beispiel die Anlagevermögen ganz von der Nachlasssteuer ausnehmen. Das ist jedenfalls viel wahrscheinlicher als der von Jäger und Economiesuisse willkürlich gewählte, verfassungswidrige Ansatz für den sich kein einziges mir bekanntes Parlamentsmitglied ausspricht. Das macht diese Studien völlig wertlos. Ihre Prognosen sind warme Luft.

Das KMU-Killer-Argument ist haltlos. Der Initiativetext lässt eine Arbeitsplatz gefährdende Besteuerung der Familienunternehmen gar nicht zu. Deshalb liess sich der Vizepräsident des KMU-Verbandes Schweiz, Roland Rupp, in der WOZ wie folgt zitieren: «Die Steuer wäre für die Schweizer Wirtschaft kein Drama». In den USA wehrten sich einst Milliardäre wie Warren Buffett und George Soros gegen die Abschaffung der Erbschaftssteuer unter George W. Bush!

Der Initiativetext lässt eine Arbeitsplatz gefährdende Besteuerung der Familienunternehmen gar nicht zu.

Viel realistischer ist die Prognose, dass die Schweizer Erbschaftsteuer-Initiative den KMU sogar nützt. Denn eine Steuer für Millionärserben entlastet die AHV-Kasse jährlich um mindestens zwei Milliarden Franken. Lohnnebenkosten in der Höhe von 0,7 Lohnprozenten oder Mehrwertsteuererhöhungen können so vermieden werden. Nach einer neuen Studie von Professor Marius Brülhart und Elodie Moreau, beides Wissenschaftler an den Unis von Lausanne und Zürich, wird in der Schweiz sogar noch deutlich mehr Geld vererbt – gegen 80 Milliarden pro Jahr. Entsprechend mehr Geld brächte die Erbschaftssteuer zugunsten der AHV ein.

Beides - geringere Lohn- und Einkaufskosten sowie eine höhere Kaufkraft der Bevölkerung - kommt den KMUs zu Gute. Diesen Teil der volkswirtschaftlichen Rechnung haben weder Franz Jäger noch die Wirtschaftsverbände in ihren Studien berücksichtigt. Soweit sind wir heute! Die Professoren der Ökonomie-Hochburgen bauen Modelle, die nur die Ausgaben, nicht aber die Einnahmen berücksichtigen. Und sie unterschlagen die Opportunitätskosten. Buchhalter die so rechnen, wären in jedem KMU längst entlassen worden.

 Die Erbschaftssteuer für zwei Prozent der Reichsten ist die gerechteste aller bekannten Sanierungsmassnahmen für die AHV. 

Eine Erbschaftssteuer nützt all denjenigen, die nie über 2 Millionen erben werden. Das sind rund 98 Prozent der Bevölkerung. Denn die AHV droht in Schieflage zu geraten. Wenn nicht die glücklichen Millionärserben die AHV um jährlich mehrere Milliarden entlasten, dann werden es später alle anderen tun müssen, indem sie höhere Arbeitnehmerbeiträge bezahlen oder länger arbeiten. Die Erbschaftssteuer für zwei Prozent der Reichsten ist die gerechteste aller bekannten Sanierungsmassnahmen für die AHV. Und die einzige, die den Mittelstand entlastet.

12. Mai 2015