Es befällt mich ein schaler Nachgeschmack, wenn ich an die Argumente denke, mit denen wir vor nicht einmal zwei Jahren die Volksinitiative «Pro Service public» bekämpft haben: Die bundesnahen Betriebe bräuchten ihren unternehmerischen Spielraum und Gewinne wären notwendig, damit sie sich weiterentwickeln könnten. Wenn ich die Schlagzeilen lese, die sie in den letzten Wochen provoziert haben, frage ich mich aber, was in den Chefetagen von SBB, Swisscom und Post los ist.

Eine SBB, die neue Züge in Betrieb nehmen will, welche dem Behindertengleichstellungsgesetz nicht genügen; eine Swisscom, deren Firmenkundinnen und -kunden tagelang nicht telefonieren können, die aber gleichzeitig 700 Stellen abbaut; und eine Post AG, die Subventionen mit illegalen Verbuchungen zweckentfremdet. Und die Verantwortlichen, wo sind die? Die Verwaltungsratspräsidentin der SBB war mit einem dubiosen Geschäftsmann in ein fragwürdiges Hafenprojekt in Angola involviert; der Diebstahl persönlicher Daten von 800'000 Swisscom-Kunden findet der CEO «harmlos»; die Konzernchefin der Post will sich nicht mehr daran erinnern, dass verschiedene Post AG Töchter gegründet wurden, um ungerechtfertigte Gewinne auf subventionierten Stecken zu verschieben. Welche Rolle spielt in den staatsnahen Unternehmen eigentlich noch der Service public-Auftrag, und wer nimmt die Verantwortung für diesen wahr?

Die Verfehlungen der Post AG sind besonders gravierend, weil sie aufzeigen, dass den Führungskräften von staatsnahen Unternehmen offensichtlich das Verständnis dafür fehlt, dass sie in erster Linie die Grundversorgung sicherzustellen haben. Dafür werden sie von Bund, Kantonen und Gemeinden abgegolten oder im Fall der Briefpost besitzen sie dafür ein beschränktes Monopol. Sie müssen nicht primär Gewinn machen, sondern qualitativ gute Leistungen zu zahlbaren Konditionen mit fairen Arbeitsbedingungen erbringen. Wenn sich in den Chefetagen aber die Haltung etabliert, man müsse mit variablen Lohnbestandteilen Anreize für gute Ergebnisse machen, obsiegt die Gier über den Auftrag. Wenn im Wettbewerb mit privaten Konkurrenten der Zweck auch noch jedes Mittel heilen soll, gefährden sie das breit akzeptierte Finanzierungsmodell des öffentlichen Verkehrs. Mit Subventionen Gewinnverschiebungen abzuschöpfen, ist nicht mehr einfach «kreative Buchhaltung» sondern es sind strafrechtliche Verfehlungen. Beschönigungsversuche machen das Ganze nur noch schlimmer.

Die zu Unrecht bezogenen Abgeltungen können zurückbezahlt werden. Der Imageschaden für die staatsnahen Betriebe ist jedoch angerichtet und kann nicht einfach mit ein paar Entschuldigungen geheilt werden. Die fehlbaren Verantwortlichen spielen denen in die Hände, die den Service public ohnehin dem Markt ausliefern wollen.

Uns Sozialdemokraten wird ja gerne nachgesagt, wir würden vorbehaltlos die schützende Hand über die «Bundesbetriebe» legen, wenn sie bürgerlicher Kritik ausgesetzt sind. Vielleicht haben wir in der Vergangenheit tatsächlich geglaubt, eine gute Corporate Governance sei bei Unternehmen in Staatsbesitz automatisch gegeben. Das war vielleicht zu blauäugig, doch gerade darum müssen wir uns jetzt zuerst für die die vielen Mitarbeitenden einsetzen, die tagtäglich engagiert für unsere Grundversorgung arbeiten. Und wir müssen die Unternehmensentwicklungen wieder entschlossener und wirkungsvoller mitbestimmen – «konkurrenzfähige» überhöhte Managerlöhne, die Auslagerung von Arbeitsplätzen und Fehlinvestitionen in extravagante «Spielzeuge» darf es nicht mehr geben. Diese Korrekturen sind notwendig und wir müssen sie viel lauter einfordern – für den Service public, für die Mitarbeitenden und auch, um die Betriebe vor denjenigen Chefinnen und Chefs zu schützen, die ihren wirklichen Auftrag vergessen.

12. Feb 2018