Der Missbrauch von Sozialversicherungen soll bekämpft werden. Darüber herrscht weitgehend Konsens. Doch dafür braucht es keinen Blankoscheck für Versicherungsdetektive. Auch für Versicherungen müssen die Grundprinzipen der Schweiz – Augenmass und Rechtsstaatlichkeit – gelten.

Da bei einer Observation Grundrechte tangiert werden, müssen die Bedingungen klar definiert, die Abläufe kontrolliert und das Vorgehen verhältnismässig ausgestaltet sein. Doch das Parlament hat unter dem grossen Druck der Versicherungslobby und im Schnellzugstempo eine unsorgfältige, schlechte Vorlage verabschiedet. Diese gibt den Versicherungen unverhältnismässige Kompetenzen, fördert die Misstrauenskultur und greift einschneidend in das Privatleben von Versicherten ein.

Die neuen Bestimmungen betreffen alle, jeden Mann und jede Frau. Sie erlauben Überwachungen nicht nur in der IV sowie in der Unfallversicherung, sondern auch in der obligatorischen Krankenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der AHV oder bei den Ergänzungsleistungen. Neu kann ein Krankenkassenmitarbeiter mit Direktionsfunktion in einem Leistungsbereich bei Verdacht (das kann auch eine anonyme Meldung sein) einen Detektiv anheuern und im Privatleben von Versicherten herumschnüffeln. Die Versicherungsdetektive dürfen nicht nur an öffentlichen Orten observieren, wie es für die Polizei gilt, sondern auch Bild- und Tonaufnahmen im Privatbereich machen, wenn dieser frei einsehbar ist.

Der neue Überwachungsartikel gibt Versicherungsdetektiven mehr Kompetenzen als es Polizei und Nachrichtendienst haben. Die Versicherten, also wir alle, werden schlechter gestellt als Kriminelle und sogar Terroristen. Und der Schutz der Privatsphäre wird ausgehöhlt.

Mit einem Nein zum Blankoscheck für die Bespitzelung von Versicherten wird das Parlament verpflichtet, eine sorgfältige, auf klaren rechtsstaatlichen Regeln beruhende Lösung zu erarbeiten.

25. Okt 2018