Quasi als Vorzeichen für die schwierigen Zeiten, welche die Schweiz erwarten, kommen am 5. Juni zwei Initiativen zur Abstimmung, die zu den destruktivsten der letzten Jahre zählen. Sie weisen einige Ähnlichkeiten auf. So verstecken sich beide Initiativen hinter irreführenden Titeln. Die Initiative «Pro Service public» könnte zur Privatisierung der Service-public-Unternehmen führen. Und die Initiative «Für eine faire Strassenfinanzierung» ist in Wirklichkeit eine ungerechte «Alles-Geld-für-die-Strasse»-Initiative.
Die wirkliche Gemeinsamkeit der beiden Initiativen steckt aber in ihrer Absicht, den Staat zu demontieren, indem er das Steuersystem untergräbt und das System der Verkehrsfinanzierung zerschlägt. Konkret will die Service-public-Initiative die Quersubventionierung verbieten. Dabei ist genau dieser Mechanismus die Basis des Service publics und der überregionalen Solidarität. Natürlich ist es teurer, eine Poststelle in Evolène als in Zürich zu unterhalten. Natürlich kann die SBB mit Regionalzügen in Randstunden weniger einnehmen als mit der Linie Zürich-Bern. Ein Verbot der Quersubventionierung, speziell in der Grundversorgung, würde darum bedeuten, dass der Service public auch in Randregionen nur noch zu kostendeckenden Preisen angeboten wird. In entlegenen Regionen wäre das der Untergang des Service publics.
Die Verkehrsfinanzierungs-Initiative (auch bekannt als Milchkuh-Initiative) ihrerseits will, dass 100 Prozent des Ertrags aus der Mineralölsteuer in den Strassenbau fliessen, statt dass wie bisher ein Teil für den öffentlichen Verkehr, speziell den Regionalverkehr, verwendet wird. Damit wird das Gleichgewicht zerstört, das die Stärke unseres Landes ausmacht. Denn die Kombination von privatem und öffentlichem Verkehr, der Pendelstrecken in den Agglomerationen ebenso berücksichtigt wie entlegene Bergregionen, ermöglicht den Schweizerinnen und Schweizern eine grosse Mobilität. Dieses Verkehrssystem zu zerstören, wäre ein Fehler sondergleichen.
Daneben haben die beiden Initiativen auch gemeinsam, dass sie die Bundesfinanzen austrocknen wollen. Indem sie dem Bund verbietet, «lukrative» Dienste anzubieten, entzieht die Service-public-Initiative dem Staat Geld. Wenn Bundesbetriebe keine Dividenden mehr auszahlen dürfen, ist der Anreiz zur Privatisierung offensichtlich. Wenn ihnen verboten wird, Rückstellungen für Investitionen und Innovationen zu bilden, dann ist eine Verschlechterung des Angebots vorprogrammiert. Und das hilft weder den Kunden noch den Steuerzahlerinnen.
Noch schlimmer ist die Milchkuh-Initiative. Sie ist ein wahrer Raubzug auf die Bundeskasse. Wenn die Hälfte der Erträge aus der Mineralölsteuer nicht mehr der Allgemeinheit zugutekommt, fehlen Jahr für Jahr 1,5 Milliarden Franken. Bildung und Forschung, Landwirtschaft, Entwicklungshilfe und öffentlicher Verkehr wären die Hauptgeschädigten. Und die schlechte Pointe dabei ist: Der Strassenfonds ertrinkt ohnehin schon fast im Geld. Kommt noch mehr dazu, dann wird das Land endgültig zubetoniert. Ein solch planloser Ausbau des Strassennetzes beseitigt allerdings keine Staus, im Gegenteil: Er führt nur zu noch mehr Verkehr und noch mehr Emissionen.
Schaut man genauer hin, dann gibt es einen populistischen Reflex, der beide Initiativen antreibt. In beiden Fällen wird der Staat als Wucherer beschrieben, der unrechtmässige Gewinne macht und unnütze Aktivitäten ausübt. «Ich bezahle nur, was ich nutze», lautet das egoistische Prinzip, das die Grundlage für die Zerstörung der Solidarität bildet, auf welcher unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Um zu verhindern, dass weitere solche Initiativen lanciert werden, müssen beide Vorlagen deutlich abgelehnt werden. Denn solche Initiativen reduzieren das Allgemeinwohl auf die Summe von Einzelinteressen und die Demokratie auf eine Ansammlung von egoistischen Konsumentinnen und Konsumenten.