In unmittelbarer Nachbarschaft zu Europa sind Millionen von Menschen auf der Flucht vor Leid, Zerstörung und Gewalt. Das ist tragisch. Und wir tun gut daran, uns auf mittelfristig hoch bleibende Asylzahlen einzustellen. Denn es ist ein Gebot der Menschlichkeit, Frauen und Kindern, die vor Krieg und Tod fliehen, Schutz zu gewähren.

Eritrea, eine ehemalige italienische Kolonie, ist, wie Nordkorea, vom Rest der Welt, also von uns allen, abgeschottet. Es ist ein ehemaliger Rebellenführer, der das Land in die Unabhängigkeit geführt hat und seither auf repressive Art und Weise führt. Widerspruch wird nicht geduldet, wer der falschen Religion angehört, riskiert Inhaftierung. Reisen ist auch innerhalb von Eritrea nicht ohne Erlaubnis möglich und Männer leisten bis ins hohe Alter und jahrelang ohne gesetzliche Grundlage Militärdienst. Wenn diese Menschen fliehen, fliehen sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Sie fliehen aus Angst um ihr Leben.

In Syrien wütet seit 2011 ein Bürgerkrieg zwischen Oppositionsgruppen und den Truppen der Regierung von Bashar el-Assad. Die UNO gibt an, dass zwischen März 2011 und März 2015 220‘000 Menschen das Leben aufgrund dieses Kriegs verloren haben. Der Krieg wütet in den Dörfern und Städten, wo Kinder zur Schule gehen und Zivilisten versuchen ihr Leben zu leben. Wie vor noch nicht allzu langer Zeit in Europa verlassen auch in Syrien Hunderttausende ihr Land in der Hoffnung, angstfrei und ohne Gewalt und Krieg vor ihrer Haustür leben zu können.

Das erneute Poltern mit Parolen wie «Abriegeln!» der SVP gegen die gegenwärtige Asylpolitik grenzt an Zynismus. Mit falschen Zahlen, die auch nicht wahr werden, wenn sie wie eine Leier wiederholt werden, wird die schweizerische Bevölkerung aufgehetzt. Asylwesen und Entwicklungshilfe werden in einen Topf geworfen, Steuergelder würden aus dem Fenster geworfen, so die SVP. 3 Milliarden insgesamt, so die SVP. Zum Vergleich: das Militärbudget der Schweiz belief sich 2013 auf 4,4 Milliarden. Wir haben es mit Wahlkampfpolemik nach bekannter SVP-Manier zu tun.

Es versteht sich von selbst, dass die Schweiz nicht «alle», nicht Millionen Flüchtlinge aufnehmen kann. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass fast 90 Prozent der Menschen auf der Flucht vor Diktatur und Bürgerkrieg in Nachbarländern aufgenommen wurden. In der Schweiz hingegen blieb die Anzahl Gesuche seit 2011 ungefähr auf gleicher Höhe, während sie in EU-Ländern zunahm. Werden mehr Gesuche gutgeheissen, so heisst das nur, dass es tatsächlich mehr Menschen gibt, die in ihrem Herkunftsland an Leib und Leben bedroht sind, vor Diktaturen und Bürgerkriegen flüchten oder politisch verfolgt werden. Wenn die SVP die Grenzen für diese Menschen schliessen will, heisst das, in Kauf zu nehmen, dass Menschen unmittelbar von Gewalt bedroht werden.

Wie so oft soll gemäss Behauptungen der SVP eine SP-Frau, nämlich Bundesrätin Simonetta Sommaruga, den Missbrauch im Asylwesen fördern. Dabei steigen die Zahlen der Flüchtlinge mit dem Aufflackern von Konflikten und Kriegen. Die Schweiz weist diesbezüglich auch unter Simonetta Sommaruga keine anderen Zahlen auf als andere Länder. Im Gegenteil! Von 2011 bis 2014 blieb die Anzahl Gesuche in der Schweiz im Durchschnitt stabil, während sie in der EU stetig anstieg. Auch der Vergleich mit Alt-Bundesrat Christoph Blocher ist völlig haltlos. Wegen seiner restriktiven Asylpolitik während seiner Amtszeit sei die Anzahl Asylgewährung gesunken. In der EU allerdings auch. Doch in der EU zeichnete nicht Herr Blocher für eine «restriktive Asylpolitik» verantwortlich. Weltweit ist damals die Anzahl gesunken.

Die Schweiz wurde, nachdem der Zweite Weltkrieg allein in Europa Millionen Opfer gefordert hatte, Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Schweiz ist gebunden, Gesuche zu prüfen. Auch wenn die Einreise der Betroffenen illegal war. Es geht um Menschen auf der Flucht, ohne Hab und Gut und unter extremen Strapazen leidend. Nicht um Pauschalurlauber. 

27. Mai 2015