«Schamloser Verfassungsbruch» betitelte im Oktober 2014 der Zürcher Rechtsprofessor Alain Griffel seinen Kommentar zum Zweitwohnungsgesetz nach der Behandlung im Ständerat. «Die verfassungswidrigen Ausnahmen werden Nachbarn und Umweltorganisationen in zahllosen Fällen dazu zwingen, den Rechtsweg bis ans Bundesgericht zu beschreiten», warnte er.
Doris Leuthard gab im Ständerat zu, dass der Bundesrat den verfassungsrechtlichen Spielraum mehr als ausgereizt habe, weitere Lockerungen würden die rote Linie überschreiten. Alles umsonst. Wird der bundesrätliche Entwurf mit einem durchlöcherten Emmentaler Käse verglichen, am Ende der Beratungen im Parlament bleibt vom Käse wohl kaum mehr als die Kruste übrig.
Was tun? Das Volk hat vor zwei Jahren die Notbremse gezogen, der Betonierung der Landschaft und dem spekulativen Zweitwohnungsbau eine Absage erteilt, auch im Interesse des Berggebiets. Der Zweitwohnungsartikel kann tourismusfreundlich und verfassungskonform umgesetzt werden. Es verletzt weder Menschenrechte noch bilaterale Verträge.
Eine sorgfältige Umsetzung eröffnet Chancen für die dringend nötige Innovation und Kooperation im alpinen Tourismus. Die Herausforderungen durch den Rückgang der Übernachtungen, den nun noch stärkeren Franken und den Klimawandel sind gross, die Änderungen längst fällig. Die klassische Tourismusindustrie muss zu den Gewinnern zählen, die Bauwirtschaft mit einer Redimensionierung rechnen.
Ein Umdenken ist unumgänglich. Doch die Parlamentsmehrheit in Bern will dies nicht, auch jene nicht, die auf eine wörtliche Interpretation der für das ganze Land schicksalhaften Masseneinwanderungsinitiative pochen. Es soll weiterhin möglichst viel gebaut werden, Volkswille und Verfassung hin oder her. So wird das Referendum provoziert. Und in der Zweitwohnungsfrage dauert die Rechtsunsicherheit weiter an.